UNTERNEHMERIN

Vom Fragezeichen zum Ausrufezeichen

Wissen, warum man etwas tut – das ist ein Ideal. Auch und gerade, wenn es um die Arbeit oder gar das eigene Unternehmen geht. Die Begriffe Impact und Purpose fallen in diesem Zusammenhang immer häufiger, nicht selten flankiert von den Themen Nachhaltigkeit und CO₂-Bilanzen. Drei Frauen geben einen Einblick, was das für sie bedeutet.

Anglizismen begleiten unseren Alltag inzwischen unbestritten in allen Bereichen, nicht selten scheinen sie schlicht den treffenderen, pointierteren Ausdruck zu liefern. So mag es mit den immer häufiger eingeworfenen Begriffen Purpose und Impact auch sein. Ersteres erweckt ein präzises Bild dafür, was Zweck des Tuns, Bestimmung oder Ziel meint, Letzteres benennt mit einem Wort die komplexen Gebilde von Auswirkungen, Einflüssen oder Folgen. Warum und wofür – das sind im Grunde also die beiden Kernfragen, die das tägliche Tun beeinflussen können.

Ihr Warum, ihren Purpose, hat Daniela Mündler gefunden. „Schon lange begleitet mich die Frage nach der Daseinsberechtigung meines Tuns, nach der Sinnstiftung“, so die 49-jährige Berlinerin, die seit inzwischen mehr als 20 Jahren im Rheinland zu Hause ist. Bereits bei ihrer Arbeit für unter anderem L’Oréal, LVMH und Douglas stellte sie sich stets die Frage: „Was fehlt der Welt, wenn wir nicht mehr da sind?“ Zuletzt war die Mutter dreier Kinder Vorständin im Familienunternehmen Bahlsen, bis sie sich 2021 mit der samplistick GmbH selbstständig machte. „Ich möchte, dass meine Arbeit einen Zweck hat. Die Frage nach dem Impact ist für mich eine sehr persönliche. Sie war bisher immer der gemeinsame Nenner meiner beruf­lichen Entscheidungen – welchen Unterschied kann ich im Leben der Konsument*innen machen?“ Die Idee für die Gründung trug Daniela Mündler viele Jahre mit sich herum. Sie beobachtete, wie Kund*innen bei jedem Einkauf in der Parfümerie meist mehr oder minder willkürlich Pröbchen von Kosmetika oder Düften mitgegeben werden. Wie viele davon kommen jemals wirklich zum Einsatz, und wie viele führen dann sogar zu einer Kaufentscheidung? In nicht wenigen deutschen Badezimmern dürften sich Sammlungen der kleinen, vielversprechenden Tütchen und Röhrchen befinden, auf ihren Einsatz wartend, nicht selten vergebens. Muss das so sein und bleiben, oder gibt es Alternativen?

Daniela Mündler weiß, dass sie ihren Weg gefunden hat, weil er sie auf allen Ebenen anspricht: „Ich habe eine intuitive Nähe zu dem Thema. Es war schon immer mein Antrieb, mir starke Umgebungen zu suchen, wo hinterher etwas anders ist als vorher – idealerweise besser.“ Mit samplistick gelingt ihr nun genau das: In Deutschland aus sortenreinem Altplastik hergestellte Sticks in Probengröße können von Einzelhändlern angekauft und individuell befüllt werden – mit Produkten, die sich die Kund*innen gezielt aussuchen. Über einen QR-Code können sie dann alle Daten zu ihrer Probe jederzeit einsehen, vielleicht eine Kaufentscheidung treffen und ihren samplistick-Stick schließlich über den Recyclingmüll entsorgen. Er ist, anders als bisherige Pröbchenverpackungen, in den Sortieranlagen der Recyclingfirmen problemlos identifizier- und verwertbar. Damit ist Daniela Mündler ein Coup gelungen, der in dieser Intensität gar nicht geplant war. Die ursprüngliche Idee, ihr Purpose, war der Gedanke, den Kund*innen zu gezielteren Produkttestungen zu verhelfen. Dass der Impact zudem Ressourcenschonung und damit einen Beitrag zur CO2-Reduktion bedeutet, sei immer Teil des Ansatzes gewesen, habe inzwischen aber auch in der Außenwahrnehmung ihres Produkts eine wesentlich größere Bedeutung, als noch vor fünf Jahren absehbar gewesen sei, so Mündler. Dass es Mut und den Einsatz von Kapital bedeute, nachhaltiger zu produzieren, unterstreicht die Gründerin. Noch immer kostet es etwa 50 Prozent mehr, recyceltes Plastik zu verwenden, als mit neuem PET zu arbeiten. „In Wachstumszeiten ist ein solcher Umschwung einfacher durchzusetzen als in Zeiten, die eher schwierig sind. Eine Firma, die in Existenznot ist und jeden Cent zweimal umdrehen muss, wird diesen Schritt ohne Hilfe schlicht nicht gehen können“, so Mündler.

Zugleich sind Themen wie Nachhaltigkeit, Impact und Purpose nicht nur für die Gründer*innen ein Antrieb. Auch Investor*innen achten bei ihren Investment Cases immer häufiger auf diesbezügliche Profile. Beispielsweise unterstützt der 2022 gestartete Venture Fonds Aenu ausschließlich Impact-getriebene Unternehmer*innen, also Gründer*innen, die posi­tiv auf Umwelt, Natur oder Gesellschaft wirken wollen. In der Bundesrepublik ist Nordrhein-Westfalen der klare Vorreiter: Zwischen 2019 und 2022 erblickten hier volle 19 Prozent der grünen Start-ups das Licht der Welt, die Start-up-Hauptstadt Berlin liegt mit 17 Prozent nur auf dem zweiten Platz, Sachsen-Anhalt und das Saarland bilden die Schlusslichter.

Auch für Arbeitnehmer*innen spielen diese Perspektiven eine immer größere Rolle, weiß Nilaxsa Yoganathan, Co-­Gründerin und ­Geschäftsführerin von 8returns. Ob privat oder früher als Angestellte, für die Münsteranerin war es immer von Bedeutung, einen Unterschied zu machen. „Ich möchte bei den Dingen, die ich tue, eine positive Differenz zwischen Vorher und Nachher sehen.“ Für Gründer*innen, so Yoganathan, spielen Impact und Purpose eigentlich ­immer eine Rolle. Jedoch ist sie überzeugt, dass es für Arbeitnehmer*innen ebenfalls von immer größerer Bedeutung ist, wie ihr (potenzieller) Arbeitgeber sich aufstellt. „Nicht nur als Kundin, sondern auch, wenn ich einen Job suche, schaue ich genauer hin, mit wem ich es zu tun habe. Und wenn das Unternehmen keine erkennbaren, meinen Vorstellungen entsprechenden Bemühungen beispielsweise in den Bereichen Nachhaltigkeit oder Social Responsibility zeigt, dann gehe ich eben woandershin“, so die Gründerin. Diese Einschätzung teilt im Übrigen auch Daniela Mündler. In Deutschland verbindet immerhin 68 Prozent der Arbeitnehmer*innen ein Gefühl von Purpose mit ihrem Arbeitgeber. Zum Vergleich: In Indien sind es 89 Prozent, in Japan lediglich 59.

Bei der Gründung von 8returns spielten für Nilaxsa Yoganathan alle drei Elemente eine Rolle. Das Unternehmen bietet Firmen eine Softwarelösung für voll automatisierte und papierlose Retourenprozesse an. „Für etwa 70 Prozent unserer Kund*innen steht hierbei der Nachhaltigkeitsaspekt im Vordergrund, neben posi­tiven Effekten wie Kund*innenbindung und Kosten­ersparnis. Da sind ­Impact und Purpose unserer Arbeit nah beieinander“, sagt sie. „Als Frau und Arbeiterkind mit Migrationshintergrund hatte ich immer auch meinen persön­lichen Purpose, ich habe ihn nur nie so benannt.“

Die bewusstere Wahrnehmung der Einstellungen von Unternehmen zu relevanten, gesellschaftlichen Themen begrüßt Nilaxsa Yoganathan, sie fragt sich aber, ob wirklich eine bundesweite Entwicklung stattfindet oder ob das ein Phänomen innerhalb der Start-up-Blasen sei. Daniela Mündler gibt Entwarnung, sie beobachtet – anfänglich auch zu ihrem eigenen Erstaunen – ein ganz breites Phänomen: „Ich sehe das den Leuten nicht an“, sagt sie. „Der alteingesessene Unternehmer im ländlichen Raum kann viel progressiver sein als ein junger Gründer in Berlin.“ Sicher ist, so bestätigt es auch Lara ­Kleimeyer, Social-Media- und Sustainability-Managerin der Adevinta-Tochter Kleinanzeigen, dass die Unternehmen umdenken und damit auch völlig neue Tätigkeits- und Karrierefelder entstehen. Was vor fünf Jahren nur als Herzensprojekt Platz in ihrem Arbeitsumfeld fand, ist heute ein Team, das die Unternehmenskultur verändert. „Bei uns gehen Konsum und Business Sustainability Hand in Hand. Wir schulen unsere Teams, gestalten das Unternehmen um – von der Entscheidung für Ökostrom bis zur Einbindung von Green Consultants bei Kampagnen – und etablieren Events wie den Green Sunday als Gegenstück zum Black Friday. Arbeitsuchende entscheiden sich inzwischen nicht selten aus genau diesen Gründen für einen Job bei uns und gegen einen in weniger engagierten Unternehmen“, so Kleimeyer.

Purpose, Impact und Nachhaltigkeit bilden inzwischen eine feste Grundlage auf allen Ebenen der Arbeitsumgebung. Doch bei allen englischen Schlagwörtern sollte man eine alte Devise von Erich Kästner nicht aus dem Sinn verlieren: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ 

Text: Anne Rudelt

Dieser Text wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN (2023/1) veröffentlicht