UNTERNEHMERIN

Mit Personal Branding in die Sichtbarkeit

Frauen sind immer noch nicht so präsent, wie sie es sein könnten, sagt Christina Richter. Die Expertin für Personal Branding will Frauen Mut machen, ihre Personenmarke aufzubauen und zu pflegen – für mehr Erfolg.

Frau Richter, Sie sind Gründerin und Geschäftsführerin des Personal Branding Instituts, im Frühjahr 2023 erschien Ihr Buch „Sichtbare Frauen“. Wieso genau ist Sichtbarkeit heute so wichtig?

Es gibt einen Satz, den Amazon-Gründer Jeff Bezos mal gesagt hat: „Deine Personal Brand ist das, was andere Menschen über dich sagen, wenn du nicht im Raum bist.“ Diese Aussage bringt auf den Punkt, worum es beim Personal Branding geht: die eigene Reputation und Sichtbarkeit. Wenn andere über mich sprechen, dann werde ich sichtbar. Wir kriegen jedoch nur einen Bruchteil von dem mit, was Menschen über uns sagen. Ordnen sie mich bei Gesprächen in den richtigen Kontext ein und verbinden mich mit meiner Expertise? Und was genau habe ich davon? Das sind für mich die grundlegenden Fragen hinter Sichtbarkeit, hinter Personal Branding, und der Grund, warum ich glaube, dass das heute besonders für Frauen und für Unternehmerinnen wichtig ist. Wir brauchen Sichtbarkeit, um unsere Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen oder um potenzielle Mitarbeiter*innen auf uns aufmerksam zu machen. Gerade Letzteres wird aktuell durch den Fachkräftemangel auch für Unternehmen immer wichtiger. Die Frauen, die ich in meinem Buch interviewt habe, haben das erkannt und sich ganz konkret damit beschäftigt, warum, für wen und zu welchen Themen sie sichtbar sein wollen. Es geht bei Sichtbarkeit nicht darum zu reden, nur um etwas gesagt zu haben, sondern darum, sich klar äußern und strategisch positionieren zu können.

Auch der VdU fördert seit seiner Gründung die Sichtbarkeit von Unternehmerinnen, die bis heute nicht so sichtbar sind wie Männer – weder in der medialen Darstellung noch in Schulbüchern. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen in der Wirtschaft weniger wahrgenommen werden?

Tatsächlich glaube ich, dass das zwei Gründe hat. Zum einen haben wir auf der Seite der Führungskräfte und Unternehmer*innen mehr Männer und damit natürlich auch mehr sichtbare Männer. Gleichzeitig stehen Frauen dem Thema Sichtbarkeit tendenziell skeptisch gegenüber. Sie wollen ihre Arbeit für sich sprechen lassen und sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen. Das kann jedoch dazu führen, dass andere diese Arbeit gar nicht wahrnehmen, dass sie von der ein oder anderen Unternehmerin noch nie gehört haben oder diese gar nicht mit ihrem eigenen Unternehmen in Verbindung bringen. Dabei ist es essenziell, sich – vor allem als Unternehmerin – bewusst zu machen, wie wichtig die eigene Sichtbarkeit auch für das Unternehmen ist, besonders im Hinblick auf den Fachkräftemangel: Gerade Frauen schauen ganz gezielt, wer an der Spitze eines Unternehmens steht, bevor sie sich bewerben.

Ihr Unternehmen beschäftigt sich mit Personal Branding, also dem Aufbau einer erfolgreichen Personenmarke. Wie definieren Sie Personal Branding, und welche Rolle spielt es in der beruflichen Entwicklung von Frauen?

Um das Thema Personal Branding kursieren sehr viele Mythen, Definitionen und auch Vorurteile. Für mich ist es ein Kommunikationstool, das eine klare Strategie als Grundlage braucht. Das heißt, ich muss mich damit beschäftigen, wer ich bin, wofür ich stehe, was meine Themen, mein Fachbereich oder meine Branche sind, wen ich eigentlich erreichen möchte und warum. Wenn ich diese Grundlage definiert habe, kann ich in die Sichtbarkeit und aktive Kommunikation treten. Wenn es um die beruf liche Entwicklung von Frauen geht, stelle ich immer wieder fest, dass wir Frauen uns diese Fragen entweder gar nicht stellen oder erst sehr spät. Hier eine kleine Übung, die dabei helfen kann, sich aktiver mit der eigenen Sichtbarkeit zu beschäftigen: Googeln Sie sich selbst und schauen Sie sich an, was andere Menschen über Sie finden. Sehr oft ist das schon der erste Aha-Moment! Personal Branding ist dann der nächste Schritt, um das aktiv und bewusst zu steuern.

In der heutigen Zeit und unter dem Einfluss von Social Media wirkt vieles sehr schnelllebig und kurzweilig. Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass Frauen, insbesondere Unternehmerinnen, in sozialen Medien wie LinkedIn präsent sind, und wie schaffen Sie es, bei Ihren Kund*innen dauerhaft eine authentische Personenmarke zu kreieren?

Sind Sie aktuell auf der Suche nach neuen Fachkräften für Ihr Unternehmen? Wünschen Sie sich, dass mehr Frauen in Ihrer Branche aktiv werden? Haben Sie ein Herzensthema, für das Sie einstehen wollen? Oder möchten Sie für Ihr Unternehmen mehr Aufmerksamkeit generieren? Wenn Sie auch nur eine dieser Fragen bejahen können, ist es für mich unabdingbar, in den sozialen Medien sichtbar zu werden. Dabei kommt es tatsächlich nicht auf den einen LinkedIn-Post oder die eine Instagram-Story an, sondern darauf, wiederholt sichtbar zu werden. Das kann ein LinkedIn-Post, ein Podcast-Interview, ein Vortrag oder ein persönliches Gespräch sein. Indem wir immer wieder auftauchen, idealerweise im Zusammenhang mit dem Thema, für das wir stehen, bleiben wir den Menschen im Gedächtnis. Dabei sollten wir uns nicht nur auf LinkedIn-Statistiken wie Likes und Kommentare fokussieren, um den Erfolg unserer Sichtbarkeit zu bewerten. Viel wichtiger ist: Was passiert hinter den Kulissen? Bekomme ich vermehrt Anfragen von potenziellen Kund*innen oder potenziellen Mitarbeiter*innen? Melden sich Journalist*innen bei mir oder werde ich zu Veranstaltungen eingeladen? Wichtig ist dabei auch, langfristig zu denken: Es bringt nichts, zwei Wochen lang aktiv auf LinkedIn zu posten und dann wieder in der Versenkung zu verschwinden. Eine Personenmarke muss nachhaltig und strategisch aufgebaut werden, sodass sich auch ein nachhaltiger Erfolg einstellen kann.

Schauen wir ein paar Jahre in die Zukunft. Was, denken Sie, wird sich in der Wirtschaft und Gesellschaft verändern, wenn mehr Frauen auf Personal Branding setzen?

Ich glaube an das Motto: „Jede Frau, die nicht sichtbar ist, nimmt mindestens einer anderen Frau ein Vorbild weg.“ Im Umkehrschluss bedeutet das, dass jede weitere sichtbare Frau ein Vorbild für eine andere Frau sein kann. Das ist ein wichtiges Element beim Personal Branding, dass jede Frau, die sich für Sichtbarkeit entscheidet, diesen Hebel in der Hand hat. Vor allem in Branchen oder Fachbereichen, in denen wir heute noch sehr wenige Frauen sehen, können starke Vorbilder maßgeblich dazu beitragen, dass Frauen es wagen, in dieselbe Branche einzusteigen. Von daher kann ich nur hoffen, dass sich mehr Frauen in die Sichtbarkeit trauen und wir zeigen können: Es gibt uns, und wir werden immer mehr! Das wiederum führt dazu, dass andere Lust haben nachzuziehen.

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ZUR PERSON 

CHRISTINA RICHTER ist die Gründerin und Geschäftsführerin des Personal Branding Instituts und anerkannte Expertin für holistisches Personal Branding. Mit mehr als 18 Jahren Erfahrung, einer fundierten Ausbildung im klassischen PR-Handwerk sowie in Social Media hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Personal Brands ihrer Kund*innen in einer besonders nachhaltigen Weise zu etablieren. Ihr Buch „Sichtbare Frauen – So nutzt du LinkedIn & Co. als Karrierebooster“ wurde am Weltfrauentag 2023 im Campus Verlag veröffentlicht. Sie ist zudem Co-Autorin von „Spiegel“-Bestsellern wie „GenZ für Entscheider*innen“ und „Zukunftsrepublik“ sowie weiteren Fachpublikationen.

Interview MARISA WENZLAWSKI
© Farina Deutschmann

 

Dieser Beitrag wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN 02/23 veröffentlicht.