Nachfolge

Wegbereiter*innen Brigitta Sui Dschen Mattke und Hans-Paul Mattke

„Bei der Herstellung unserer Backwaren macht eine lange Teig-Reife den entscheidenden Unterschied – und so ist es auch bei der Unternehmensübergabe: Zeit für den Prozess zu haben, ist ein großer Vorteil.“ Der Weg zur Nachfolge verlief auch für Bio-Pionier Hans-Paul und seine Frau Brigitta Sui Dschen Mattke keineswegs gradlinig und dass, obwohl sie sich frühzeitig mit dem Thema der Unternehmensübergabe beschäftigt hatten. Doch die richtigen Menschen tauchten einfach nicht auf – bis drei junge Mitarbeiterinnen als potenzielle Dreierspitze ihren Hut in den Ring warfen und es einfach passte. Bei der Übergabe ging es schließlich nicht nur um die Weitergabe eines Unternehmens, sondern auch dessen gelebte Werte.

Moin Bio Backwaren GmbH steht für Genuss in Bio-Qualität. Brigitta Sui Dschen Mattke und der Gründer Hans-Paul Mattke haben es sich zur Aufgabe gemacht, viele Menschen mit gutem Bio-Essen zu versorgen. Weil der gelernte Bäckermeister und Künstler nachts nicht länger arbeiten, sondern sich stattdessen mehr Zeit für seine Kunst nehmen wollte, kam ihm die Idee eines Tiefkühl-Bio-Vollkorncroissant für Bäcker und Bio-Läden. 1995 gründete Hans-Paul Mattke die Moin Biobackwaren GmbH, die er gemeinsam mit seiner Frau und Mitinhaberin Brigitta Sui Dschen Mattke, Grafikdesignerin, Kreativdirektorin und ebenfalls Künstlerin, führte. Heute steht Moin für ein großes Sortiment süßer, pikanter und veganer Backwaren in Bio-Qualität. Neben ihrem Bewusstsein für Qualität zeichnet das Künstler-Paar auch ihre starke Werteorientierung aus. „Wir sind überzeugt davon, dass gutes Essen die Grundlage für körperliche, geistige und seelische Gesundheit bildet und damit auch für die Souveränität der Menschen. Dass uns gutes Essen auf diese Art und Weise alle miteinander verbindet, spiegelt sich auch in unserem 70-köpfigen Team aus insgesamt 12 Nationen wider“, berichten die Glückstädter.

Frau und Herrn Mattke ist es ein großes Anliegen, dass ihre werteorientierte Unternehmenskultur auch weiterhin die Zukunft von Moin inspiriert. Mit ihrer bevorstehenden Geschäftsübergabe haben sie sich bereits frühzeitig, in ihrem Fall bereits vor zehn Jahren, auseinandergesetzt. „Wie eine Übergabe wirklich geht, das weiß man vorher nicht, das kann man nur erleben“, beschreibt die Mitinhaberin den Prozess. Gemeinsame Zeit mit Nachfolgenden im Betrieb zu verbringen, war Mattkes wichtig, um Wissen und Erfahrung weiterzugeben und die Unternehmenskultur im Dialog weiterentwickeln zu können. Doch der Weg war mitunter herausfordernd: Auch weil sich die Option einer interfamiliären Nachfolge nicht verwirklicht hatte, folgten diverse Gespräche mit externen Geschäftsführer*innen und Investor*innen. Eine Lösung ergab sich daraus nicht. Im Jahr 2019 wendete sich das Blatt, als sich überraschend eine neue eher unkonventionelle Gelegenheit auftat: Drei junge Angestellte, Vicky Leskien, Julianna Müller und Jule Prothmann, bekundeten ihr Interesse an der Unternehmensübernahme. „So gesehen waren es die drei Frauen, die sich schlussendlich für uns entschieden haben“, freut sich Frau Mattke.

Die jungen Frauen waren zu dem Zeitpunkt circa drei Jahre im Betrieb und haben die Mattkes nicht zuletzt durch ihren starken Willen und ihren Enthusiasmus überzeugt. „Ein weiterer Pluspunkt des Führungstrios ist ganz klar ihre deutlich strukturierte Arbeitsweise, und die Kombination ihrer unterschiedlichen Kompetenzen,  denn, dass der Betrieb heute nur schwer noch alleine und kaum mehr so intuitiv und aus dem Bauch heraus geführt werden kann, wie ich das vielleicht einst konnte, da waren wir uns alle einig“, so Hans-Paul Mattke. Obwohl die drei Betriebswirtinnen – eine davon mit dem Schwerpunkt Foodmanagement – das ursprüngliche Bäckerei-Handwerk nicht erlernt haben, bringen sie erste Erfahrungen aus dem Lebensmittelbereich sowie den nötigen Einsatz und die Bereitschaft mit, sich Know-How und Wissen auch in diesem Feld anzueignen, um die Nachfolge im Sinne des Unternehmens anzutreten. Heute sind die drei Nachfolgerinnen als Team gewachsen und jede hat im Prozess der Übergabe ihren passenden Verantwortungsbereich im Unternehmen gefunden.

Als die Nachfolge feststand, konnte sich der Übergabeprozess organisch entwickeln. Ein klares Konzept und ein fixer Zeitplan halfen bei der Strukturierung. 2020 räumten Mattkes ihre Büros – ein erster symbolträchtiger Schritt, um den jungen Frauen Raum zu schaffen für ihre individuelle Entwicklung, die Rollenfindung und das Zusammenwachsen als Führungsteam. Mit der Ernennung der Nachfolgerinnen als Betriebsleiterinnen im Jahr 2021 zogen sich Brigitta Sui Dschen und Hans-Paul Mattke weitgehend aus dem operativen Geschäft zurück und übertrugen zusehends die Verantwortung. Der Verkauf erster Gesellschaftsanteile an die von den Nachfolgerinnen gegründete Dreiklang GmbH noch in diesem Sommer markiert den nächsten Meilenstein dieses Übergabeprozesses. Dabei soll künftig ein Teil des Unternehmens in eine Stiftung umgewandelt werden, damit das Lebenswerk der Bio-Pioniere samt des Wissens und der Werte dem Kapitalmarkt entzogen wird und sich weiter im Sinne des Unternehmenszieles frei entwickeln kann.

Im Zuge des Übergabeprozesses mussten auch die Mitinhaberin und der Gründer ihre Rolle neu (er-)finden: Beide flankieren das Team der Nachfolgerinnen heute in strategisch und kulturell entscheidenden Fragen, ab 2025 werden sie das Unternehmen nur noch als Mentoren begleiten.

Zum Videoportrait geht es hier entlang.

Foto (c) VdU

Ehepaar Brigitta Sui Dschen Mattke und Hans-Paul Mattke sind Gewinner*innen in der Kategorie „Wegbereiter*in des Jahres 2023“

Moin Bio Backwaren GmbH

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she succeeds award

Der she succeeds award, die Auszeichnung des Verbands deutscher Unternehmerinnen für die „Unternehmensnachfolgerin des Jahres“, ist der erste und einzige Preis in Deutschland, der weibliche Nachfolgeunternehmerinnen auszeichnet und sie als Vorbilder sichtbar macht.

Im Rahmen des vom Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz seit Januar 2021 geförderten Modellprojekts „she succeeds – Mehr weibliche Nachfolge!“ wird der she succeeds award nun erstmals um eine neue Kategorie erweitert und prämiert den oder die „Wegbereiter*in des Jahres“. Damit zeichnet der VdU ehemalige Inhaber*innen aus, die mit einem ausgeklügelten Übergabekonzept, einem vorausschauenden Zeitplan und der intensiven Einarbeitung der Nachfolgerin zu einer erfolgreichen Unternehmensübergabe beigetragen haben. Denn im wirtschaftspolitischen Interesse liegt es, eine Erosion der mittelständischen Unternehmen zu verhindern, Beschäftigung und Ausbildung zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Betriebe zu erhalten.