Wirtschaft & Arbeit Positionspapier

Positionspapier zu Vereinbarkeit Unternehmertum und Familie

Mehr Diversität in der Wirtschaft durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum – eine Initiative des Startup-Verbands, des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU) und des Bundesverbands der Freien Berufe (BFB)

Eine Stärkung der Selbstständigkeit und eine größere Rolle von Frauen in der Wirtschaft sind essenziell, um die Transformation hin zu einer gerechteren Gesellschaftsordnung voranzutreiben. Neben der gesellschaftlichen Notwendigkeit ist es auch ein Gebot (volks)wirtschaftlicher Vernunft, Frauen in diesen Bereichen gezielt zu stärken. Das gilt insbesondere angesichts des stetig wachsenden Fachkräftemangels. Wir können es uns schlicht nicht leisten, auf diese Talente zu verzichten.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag das Ziel verankert, Familien dabei zu unterstützen, Erwerbs- und Sorgearbeit gerechter aufzuteilen [1].  
Verschiedene, mehr oder weniger wirkungsvolle politische Maßnahmen wurden in den vergangenen Jahren ergriffen, um dieses Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Sie adressieren im Kern vor allem Arbeitnehmer*innen. Die Belange von Selbstständigen und Unternehmer*innen wurden bisher nur am Rande berücksichtigt. Aktuell sind die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit einer selbstständigen Erwerbstätigkeit und der Familiengründung in Deutschland ausbaufähig. So liegt der Anteil der Gründerinnen in Deutschland bei nur 20,3 Prozent [2]. Im Bereich der Freien Berufe steigt der Anteil immerhin auf aktuell 53 Prozent [3]. Diese Werte sind in den vergangenen Jahren kaum oder nur langsam gestiegen. Grund dafür sind strukturelle Hindernisse für Frauen im Startup-Bereich, als Gründerin, in der Unternehmensnachfolge und als Unternehmerin, zum Beispiel Herausforderungen bei der Finanzierung, fehlende Zugänge zu Netzwerken, aber auch in besonderem Maße die erschwerte Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum. Letzteres ist von großer Bedeutung, da viele Gründerinnen erst mit Anfang 30 gründen und die Unternehmensgründung somit häufig mit der Familiengründung zusammenfällt.   

Dieses Problem wollen wir angehen: Wir – der Startup-Verband, der Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) und der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) – stellen dabei den Kern eines offenen und breiten Bündnisses, um für bessere Rahmenbedingungen für selbstständige Frauen einzustehen. Wir brauchen nach dramatischen Rückgängen der Zahl der Selbstständigen, beschleunigt unter anderem durch die Coronakrise, eine Gegenbewegung. Warum? Weil die großen Aufgaben der Transformation und die Sicherung unseres Wohlstands nicht allein durch Großindustrie und mehr Staat bewältigt werden können. Das hat gerade die Pandemie und ihre Bewältigung durch viele Aktivitäten und Initiativen kleinerer und mittelständischer Einheiten eindrucksvoll gezeigt.  

Wir wollen Gründerinnen ermutigen, fördern und die Wirtschaft modernisieren und durchlässiger und diverser machen. Dazu gehört auch, die Vielzahl an Vorbildern unter Gründerinnen und Unternehmerinnen und ihre vielfältigen Gründungsgeschichten sichtbarer zu machen. Es bedarf eines Bündels von zusammenwirkenden Maßnahmen, die sich vor allem auf verbesserte Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Selbstständigkeit richten. Selbstständigkeit kann die Balance zwischen Familie und Beruf in der Regel besser bedienen als ein Arbeitnehmer*innen-Leben, da der Arbeitsalltag flexibler gestaltet werden kann. Jedoch geht diese Unabhängigkeit auch mit höheren Risiken einher – so durch die finanzielle Absicherung bei einer Mutterschaft. Daher bedarf es einer stärkeren Berücksichtigung von selbstständigen Gründerinnen beim Mutterschutz und in der Ausgestaltung und Berechnung des Elterngelds, um Anreize für eine höhere Gründungsbereitschaft unter Frauen zu schaffen. Auch die systematische Absetzbarkeit beruflich veranlasster Kinderbetreuungskosten halten wir in diesem Zusammenhang für wichtig.  

 

Mutterschutz für Unternehmerinnen/Selbstständige

In Deutschland haben selbstständig erwerbstätige Frauen grundsätzlich keinen Anspruch auf die gesetzlichen Mutterschutzfristen oder die Zahlung von Mutterschutzgeld. Die Regelungen des Gesetzes zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz – MuSchG) finden auf sie keine Anwendung. Auch Unternehmerinnen und Gründerinnen sind als Selbstständige nicht vom Schutz des MuSchG umfasst.  
Der Anspruch auf Mutterschutz hängt für Selbstständige von ihrer Krankenversicherung ab: Als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung erhält eine schwangere Unternehmerin oder Selbstständige nur dann Mutterschaftsgeld, wenn sie einen Anspruch auf Krankengeld hat, das heißt, wenn eine entsprechende Krankentagegeldversicherung abgeschlossen wurde, die zusätzliche Kosten verursacht. Denn um das Krankentagegeld – und somit auch Mutterschaftsgeld – zu erhalten, muss ein Zusatzbetrag von 0,6 Prozentpunkten gezahlt werden. Viele selbstständige Frauen entscheiden sich daher bei Vertragsabschluss zunächst gegen diese Zusatzversicherung (laut Zahlen der BARMER ca. 60 Prozent). Somit ist die Mehrheit bei den Krankenkassen zum regulären Beitragssatz versichert und verfügt im Falle einer Schwangerschaft nicht unmittelbar über die notwendige Absicherung. Obgleich viele Kassen angeben, ihre Mitglieder bei Vertragsabschluss über die Krankentagegeldversicherung aufzuklären, scheinen viele selbstständige Frauen hier noch nicht ausreichend informiert zu sein oder von den zusätzlichen Kosten abgeschreckt zu werden.  

Privat versicherte Frauen erhalten normalerweise kein Mutterschaftsgeld und müssen anfallende Ausgaben während der Schwangerschaft und nach der Geburt aus eigener Kraft bewältigen. Änderungen im Gesetz über den Versicherungsvertrag 2017 haben es zwar ermöglicht, dass während der Schutzzeit Krankentagegeld ausgezahlt wird, jedoch muss auch dafür ein entsprechender Zusatzvertrag vorliegen. Auch in diesem Fall wird das Krankentagegeld aber – im Gegensatz zu gesetzlich Versicherten – nicht auf das Elterngeld angerechnet.  

Obgleich einige Kassen die Frauen sechs Monate nach der Geburt beitragsfrei stellen, müssen die meisten selbstständigen Mütter auch nach der Geburt des Kindes weiterhin Beiträge für ihre Krankenkasse entrichten. Sofern ein Krankentagegeld gezahlt wird, beläuft es sich in der Regel auf circa 70 Prozent des Durchschnittseinkommens des letzten halben Jahres[4]. Zahlen der BARMER zeigen, dass freiwillig versicherte Frauen in 2022 so circa 50 Euro pro Tag in 14 Wochen Mutterschutz erhalten haben (= Leistungen abzüglich der gezahlten Krankenkassenbeiträge).

Selbstständige Frauen, die keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld haben und nicht über die notwendige Zusatzversicherung für Krankentagegeld verfügen, sind im Fall einer Schwangerschaft also einem ernstzunehmenden finanziellen Risiko ausgesetzt. Solo-Selbstständige und Unternehmen, die nur aus einer oder wenigen Personen bestehen, sind besonders stark betroffen. Die weiterhin anfallende Arbeit kann nicht immer von anderen Mitarbeitenden miterledigt werden und häufig müssen für einen Ersatz entsprechende zusätzliche finanzielle Mittel aufgebracht werden. Zudem laufen häufig betriebsbedingte Kosten weiter, die auch ohne Einnahmen anfallen.  

Die EU-Richtlinie zum Elternurlaub von 2010 (die sogenannte „Selbstständigenrichtlinie“) legt fest, dass Selbstständige Mutterschaftsansprüche von mindestens 14 Wochen haben müssen. Die konkrete Umsetzung des Gesetzes steht den EU-Mitgliedstaaten aber relativ frei. Die gesetzlichen Regelungen zum Mutterschutz für Selbstständige weichen somit in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten stark voneinander ab.  

Deutschland verweist in der Umsetzung der EU-Richtlinie lediglich auf das Elterngeld, welches auch an Selbstständige ausgezahlt wird. Im Gegensatz dazu haben Selbstständige in den Niederlanden im Rahmen des sogenannten „Systems für schwangere Selbstständige“ für einen Zeitraum von mindestens 16 Wochen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. In Österreich erhalten Selbstständige im Falle der Mutterschaft ebenfalls Leistungen für maximal 16 Wochen, da der Mutterschutz zum Leistungskatalog der staatlichen Krankenversicherung gehört und anders als in Deutschland für fast alle Personen eine Krankenversicherungspflicht besteht [5].

Um die Unternehmensgründung und Selbstständigkeit für Frauen attraktiver zu gestalten, braucht es dringend eine verlässliche finanzielle Absicherung rund um die Geburt. Die Optionen zum Erhalt von Mutterschutzleistungen sollten für Unternehmerinnen klar und transparent sein. Aktuell werden selbstständige Frauen zu oft alleingelassen und müssen sich eigenständig auf die Suche nach Absicherungsoptionen machen. Sie müssen sich frühzeitig um eine entsprechende kostenerhöhende Zusatzversicherung kümmern oder im Falle einer Schwangerschaft auf eigene Rücklagen zurückgreifen. Gerade bei ungeplanten Schwangerschaften kann dies zu massiven existenzbedrohenden Problemen führen.  

Um selbstständige Frauen beim Mutterschutz zukünftig stärker mitzudenken, sind folgende Lösungsansätze aus unserer Sicht zielführend:  

  • Es sollte eine Aufklärungspflicht aller Krankenkassen eingeführt werden, durch die selbstständige Frauen bei Vertragsschluss verpflichtend über ihre Optionen in puncto Mutterschutz informiert werden.
  • Alle Selbstständigen (also Männer und Frauen gleichermaßen) sollten sich durch Beiträge am Ausgleichsverfahren für Mutterschutzleistungen (U2-Verfahren) beteiligen. Für Angestellte führen aktuell alle Arbeitgeber*innen zusätzlich zu den Sozialversicherungsbeiträgen die Umlage U2 an die Krankenkassen ab. Damit werden die finanziellen Belastungen für die Mutterschutzleistungen auf die Arbeitgeber*innen solidarisch verteilt. Die Umlagebeitragssätze variieren je nach Krankenkasse. Bei der BARMER liegt der Beitragssatz 2023 bei 0,54 Prozent, bei der TK bei 0,58 Prozent. Grundlage der Berechnung ist dabei das Gesamt-Brutto aller bei der Umlagekasse versicherten Mitarbeiter*innen. Diese Aufwände können sich die Arbeitgeber*innen für schwangere Arbeitnehmerinnen in der Zeit eines generellen oder individuellen Beschäftigungsverbots sowie für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld während der Mutterschutzfrist zu 100 Prozent erstatten lassen. Nach dem gleichen Prinzip könnten sich auch Selbstständige solidarisch mit entsprechenden Beiträgen am Umlageverfahren beteiligen. Zur Berechnung der Beiträge könnte dabei der durchschnittliche Gewinn des Unternehmens im letzten beschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum als Grundlage dienen. Die Kosten wären dementsprechend niedrig und würden keine hohen finanziellen Belastungen bedeuten. Selbstständige könnten dann im Falle einer Schwangerschaft – analog der abhängig Beschäftigten – einen bestimmten Tagessatz von den Krankenkassen erhalten, der dann mit den in die Umlage U2 eingezahlten Beiträgen entsprechend auf das bisherige Monatsnetto der Selbstständigen aufgestockt werden sollte.

Alternativ könnten folgende Lösungsansätze in Betracht gezogen werden:

  • Selbständigen wird für den Zeitraum der Schwangerschaft und die erste Zeit nach der Geburt ein Steuernachlass eingeräumt und so eine indirekte finanzielle Unterstützung geleistet. Dieser könnte sich an der Höhe des Nettolohns orientieren. Dabei sollte der Berechnungszeitraum möglichst weit gefasst werden, da bei Selbstständigen nicht grundsätzlich mit einem gleichbleibenden, stetigen Einkommen zu rechnen ist. Die Selbstständigen erhalten so indirekt eine finanzielle Unterstützung während der Schwangerschaft. Betriebserhaltungskosten könnten über dieses Modell ebenfalls Beachtung finden.
  • Eine direkte finanzielle Unterstützung ließe sich durch Auszahlungen aus einem entsprechenden Budget beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) bewerkstelligen. Ein solches müsste durch Steuermittel bereitgestellt werden. Das BAS ist bereits heute in bestimmten Fällen bundesweit für die Zahlung von Mutterschaftsgeld an nicht gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmerinnen zuständig. Diese Zuständigkeit müsste dann auf Selbstständige im Allgemeinen ausgeweitet werden. Alternativ könnten Mutterschaftszahlungen für Selbstständige zur verpflichtenden Leistung der Krankenkassen werden und daher aus dem Budget der Krankenkassen gezahlt werden.

 

Elterngeld und Elternzeit für Gründer*innen, Unternehmer*innen und Selbstständige  

Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung das Ziel formuliert, Familien dabei zu unterstützen, wenn sie Zeit für Erziehung und Pflege brauchen und Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlich aufteilen wollen. Dass dafür das Elterngeld vereinfacht, digitalisiert und die gemeinschaftliche elterliche Verantwortung gestärkt werden und dass der Elterngeldanspruch für Selbstständige modernisiert werden soll, sind wichtige Vorhaben, die wir ausdrücklich begrüßen und mit konkreten Vorschlägen zur Umsetzung unterstützen wollen.  

Ziel des Elterngelds ist es, die wirtschaftliche Existenz der Familien zu sichern und Müttern und Vätern zu helfen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Gründer*innen und Selbstständige haben grundsätzlich auch Anspruch auf Elternzeit und Elterngeld. Allerdings wird in der aktuellen Ausgestaltung des Elterngelds ihre Arbeits- und Lebensrealität kaum berücksichtigt. Das Elterngeld ist vor allem auf abhängig Beschäftigte ausgerichtet.  

Das Basiselterngeld ohne Zuverdienst ist für die meisten Selbstständigen keine Option. Denn es ist nur wenigen möglich, ihre Unternehmensführung, Gründung oder Selbstständigkeit für mehrere Monate komplett ruhen zu lassen, da dies den weiteren Betrieb und Beauftragungen gefährden würde.  

Selbstständige haben eine andere Arbeitssituation als Angestellte. Ihr Einkommen schwankt in Abhängigkeit von der Auftragslage. Auch lassen sich die Auftragslage und die Arbeitszeiten während der geplanten Bezugsdauer von ElterngeldPlus (mit oder ohne Partnerschaftsbonus) schwer voraussagen und können stark schwanken, da sie von externen Faktoren abhängen (zum Beispiel Konjunktur, Marktentwicklungen, Kundenbedürfnisse, Lieferketten, saisonale Kriterien). Dies macht es schwer, bei der Beantragung des Elterngelds den Zuverdienst und mögliche Arbeitszeiten verbindlich festzulegen. Hinzu kommt die Problematik des Zuflussprinzips, durch das Zahlungseingänge während des Bezugs von Elterngeld für erbrachte Leistungen vor Beginn des Elterngeldbezugs als Zuverdienst voll angerechnet werden. Die Antrags- und Auszahlungsmodalitäten des Elterngelds müssen diese Arbeitsrealität von Selbstständigen berücksichtigen. Die Vorhersage der Auftragslage und Arbeitszeiten während der geplanten Bezugsdauer von ElterngeldPlus ist aufgrund der oben genannten externen Faktoren sehr fehleranfällig, weshalb es oftmals zu unvorhergesehenen Rückzahlungen kommt, die Selbstständige in finanzielle Not bringen oder weshalb Selbstständige von vornherein auf Elterngeld verzichten, um diesem Risiko der unvorhergesehenen Rückzahlungen zu entgehen. Folgende Lösungsansätze wären denkbar:

  • Es entspricht nicht der Natur einer Selbständigkeit, eigene Arbeitszeiten zu erfassen und Stundenzettel auszufüllen und selbst gegenzuzeichnen. Mit einer Abschaffung dieser Regelung der Vorhersage würde der Bezug des ElterngeldPlus sowohl der Arbeitsrealität von Selbstständigen entsprechen als auch dem Ziel der Entbürokratisierung entgegenkommen.  
  • Sofern die ersatzlose Abschaffung der Vorhersage nicht möglich ist, sollte eine flexiblere Arbeitszeitberechnung in Betracht gezogen werden, um Auftragsspitzen und -tiefen abzumildern. Statt eines wöchentlichen Durchschnitts von Arbeitszeit und Auftragslage sollte ein Quartalsdurchschnitt herangezogen werden.

Auch die Bemessungsgrundlage benachteiligt Selbstständige gegenüber abhängig Beschäftigten. Wird bei Beschäftigten das Einkommen der letzten zwölf Monate vor der Geburt des Kindes zugrunde gelegt, ist dies bei Selbstständigen der Gewinn aus dem letzten beschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum, also in der Regel dem letzten Kalenderjahr. Gerade aufgrund der beschriebenen Schwankungsfaktoren, insbesondere in Krisenzeiten wie der Coronapandemie, kann es zu Auftragseinbrüchen und damit zu negativen Einkommensentwicklungen kommen, die sich auch negativ auf die Höhe des Elterngeldanspruchs auswirken. Wichtig wäre daher, bei der Beantragung des Elterngelds die Wahlmöglichkeit zu geben, als Bemessungszeitraum das Einkommen in den zwölf Monaten vor der Geburt (analog abhängig Beschäftigter) oder das durchschnittliche Jahreseinkommen mehrerer Jahre zugrunde zu legen.

Zudem haben Gründerinnen, Unternehmerinnen und Selbstständige während des Elterngeldbezugs weiterhin hohe Fixkosten zum Beispiel durch Krankenversicherung, Altersvorsorge, laufende Betriebskosten oder Berufsversicherungen, die trotz verminderter Arbeitszeit in voller Höhe weiter gezahlt werden müssen. Die Sozialversicherungspauschalen, die der Berechnung des Elterngelds zugrunde gelegt werden, werden diesen Fixkosten nicht gerecht. Das tatsächlich zur Verfügung stehende Einkommen während der Dauer des Elterngeldbezugs muss daher bei der Berechnung des Elterngelds in den Blick genommen werden. Eine konkrete Verbesserung der Situation von Selbstständigen in Bezug auf während der Elternzeit fortlaufende Fixkosten würde ein Steuerfreibetrag oder eine Erhöhung der absetzbaren Vorsorgeaufwendungen darstellen.   

Der Antrag auf Elterngeld ist zudem für Gründerinnen, Unternehmerinnen und Selbstständige kompliziert, unklar und nicht auf die besonderen Belange dieser Form der Erwerbsarbeit ausgerichtet. Dies führt dazu, dass Antragsverfahren aufwendiger und langwieriger sind und sie länger auf das Elterngeld warten müssen, parallel aber viel geringere Einnahmen aus selbstständiger Arbeit haben, was sie in finanzielle Nöte bringen kann. Die bürokratischen Hürden der Beantragung müssen reduziert und die Beantragung für Selbstständige vereinfacht werden. Die Antragsstellung muss konsequent aus der Nutzer*innenperspektive gedacht und automatisiert umgesetzt werden. Dies würde nicht nur Antragsstellende, sondern auch die Behörden entlasten.

Ein zentrales Anliegen ist uns auch die Stärkung der partnerschaftlichen Teilung der Sorgearbeit und damit auch der Kinderbetreuung zwischen Müttern und Vätern. Das Elterngeld wurde im Jahr 2007 aus genau diesem Grund, als gleichstellungspolitische Maßnahme, eingeführt. Auch wenn seither kleine Erfolge sichtbar sind, reichen diese noch nicht aus, um unser Ziel, die 50/50-Teilung der Elternzeit zwischen den Partner*innen, zu erreichen. Daher muss und kann der Staat Anreize setzen. So sollte der Elterngeld-Höchstsatz z. B. nur bei einer 50/50-Aufteilung der Elternzeit ausgezahlt werden. Je paritätischer die Elternzeit-Aufteilung, desto mehr Elterngeld wird ausgezahlt.   

Basierend auf den beschriebenen Herausforderungen regen wir zudem an, den Zielhorizont des Elterngelds zu prüfen und dabei die Arbeitsrealität von selbstständig berufstätigen Eltern besser zu berücksichtigen. Es sollte Ziel sein, dass Eltern, die selbstständig beschäftigt sind, sowohl Zeit für die Betreuung ihres Kindes haben und gleichzeitig ihre berufliche Zukunft nicht gefährden, weil sie länger pausieren. Dabei könnte ermöglicht werden, dass abhängig und selbstständig beschäftigte Eltern, die beide während des Elterngeldbezugs in Teilzeit arbeiten, bei der Beantragung des Elterngelds auch private Kinderbetreuungskosten für die Betreuung des Kindes während der Arbeitszeit geltend machen können.

 

Absetzbarkeit der beruflich veranlassten Kinderbetreuungskosten von der Einkommensteuer  

Neben einer stärkeren Berücksichtigung von selbstständigen Gründerinnen beim Mutterschutz und in der Ausgestaltung und Berechnung des Elterngelds muss auch die Frage der Betreuung des Kindes während der Arbeitszeit in den Blick genommen werden. Dies schließt sowohl die Betreuung in Kitas als auch Grundschulen mit ein.  

Für Kinder unter einem Jahr besteht in Deutschland kein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Auch das Angebot an Betreuungsplätzen für Untereinjährige ist sehr eingeschränkt. Viele Unternehmerinnen und Selbständige können und wollen sich aber einen vollen Ausstieg aus dem Unternehmen für das erste Lebensjahr nicht leisten. Sie sind auf eine Betreuung auch in dieser Phase angewiesen. Hier entstehen hohe Kosten für privat organisierte Betreuung.  

Für Kinder ab einem Jahr besteht in Deutschland ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Dies umfasst in der Regel einen Betreuungsumfang von 6 Stunden pro Tag, was für Mütter in Vollzeit kaum ausreicht. Eine Ende 2022 von der Bertelsmann Stiftung veröffentliche Studie stellte zudem fest, dass in Deutschland 384.000 Kita-Plätze fehlen. Auch der Ausbau der Ganztagsschulen geht in Deutschland nur schleppend voran. Damit kann der rechtliche Betreuungsanspruch in vielen Fällen gar nicht durchgesetzt werden. Insbesondere Selbständige sind aber auf eine Betreuung angewiesen und müssen diesen Mangel durch private Betreuung kompensieren. Diese Kosten müssen in vollem Umfang steuerlich geltend gemacht werden können.

Neben dem quantitativen und qualitativen Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder aller Altersstufen halten wir daher eine volle Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten ab dem Tag der Geburt für dringend geboten.

Die bislang auf den Weg gebrachten Maßnahmen im steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bereich sind erste Schritte in die richtige Richtung: So ist seit 2012 die Berufstätigkeit der Eltern keine Voraussetzung für die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten mehr, sodass mehr Familien von der Regelung profitieren können. Allerdings reichen die Änderungen nicht aus, um vor allem auch die Selbstständigkeit von Frauen zu fördern. Auch schafft die Gesetzeslage nicht die nötigen Anreize für eine bessere Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie. Ein Beispiel dafür ist, dass seit dem Veranlagungszeitraum 2012 Kinderbetreuungskosten nicht mehr als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden, sondern nur noch als Sonderausgaben. Wir plädieren für eine systematische Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten. Die bisherige Deckelung auf einen Maximalbetrag (aktuell 2/3, maximal 4000 Euro im Jahr) ist völlig unzureichend, d.h. trifft die tatsächlichen Ausgaben nicht. Daher sollten die anzurechnenden Betreuungskosten nach dem objektiven Nettoprinzip grundsätzlich ohne Höchstgrenzen bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgezogen werden können. Kinderbetreuungskosten müssen voll abzugsfähig sein.

 

Zusammenfassung unserer Vorschläge:

  1. Anforderungen selbstständiger Frauen und Unternehmerinnen in der Ausgestaltung der Mutterschutzregelungen stärker berücksichtigen

  2. Kurzfristig: Umsetzung einer verpflichtenden Aufklärungspflicht für gesetzliche und private Krankenkassen, um Frauen über ihre Optionen in puncto Mutterschutz zu informieren. Langfristig: Dauerhaft die Unterstützung selbstständiger Unternehmerinnen vor und nach der Geburt absichern.

  3. Arbeitsrealität von Selbstständigen in den Antrags- und Auszahlungsmodalitäten des Elterngelds besser berücksichtigen

  4. Verankerung einer Wahlmöglichkeit bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums im Rahmen des Elterngeldantrags: Wahl zwischen Einkommen in den zwölf Monaten vor der Geburt (analog abhängig Beschäftigter) oder durchschnittlichem Jahreseinkommen mehrerer Jahre ermöglichen

  5. Bei der Berechnung des Elterngelds das tatsächlich zur Verfügung stehende Einkommen (unter Abzug hoher Fixkosten wie Krankenversicherung, Altersvorsorge, laufende Betriebskosten oder Berufsversicherungen) einbeziehen

  6. Bürokratische Hürden bei der Beantragung von Elterngeld abbauen

  7. Zielhorizont des Elterngelds prüfen und dabei die Arbeitsrealität von selbstständig berufstätigen Eltern stärker berücksichtigen

  8. Systematische und vollumfängliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten ab dem Tag der Geburt ermöglichen

Das Positionspapier zu Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie können Sie hier downloaden.

 

Kontakt:

Inken Patermann, Verband deutscher Unternehmerinnen e.V. (VdU),
Tel.: 030 200 59 19 19; E-Mail: inken.patermann@vdu.de,www.vdu.de