Der Druck auf den Wirtschaftsstandort Deutschland wird durch das Urteil weiter verschärft. Die dadurch ausgelöste Planungsunsicherheit ist Gift für das Unternehmertum in Deutschland und es braucht daher möglichst schnell Klarheit über die Haushaltspolitik der kommenden Jahre. Dabei sollten Sparen und Investitionen nicht gegeneinander ausgespielt werden, dies gebietet die Generationengerechtigkeit. Denn Generationengerechtigkeit bedeutet sowohl solide Staatsfinanzen als auch solide Wirtschafts- und Innovationspolitik, um die Weichen der Transformation klug zu stellen.
Alle Karten müssen auf den Tisch – die der Ausgabenseite genauso wie die der Einnahmenseite. Welche Ausgaben sind unverzichtbar, welche Einnahmen können zusätzlich generiert werden, was hat Priorität und welcher Reformen bedarf es dafür? Diese Fragen müssen sich die Verantwortlichen in der Regierung stellen, sie sollten aber auch in einer breiten gesellschaftlichen Debatte erörtert werden.
Welche Handlungsoptionen gibt es und wie funktionieren sie?
- Schuldenbremse / Investitionsklausel
Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Diese Regelung ist in Artikel 109 Grundgesetz verankert. In Artikel 115 des Grundgesetzes wird dabei für den Bund präzisiert, dass die maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes begrenzt ist und konjunkturellen Effekten symmetrisch Rechnung getragen wird. In konjunkturell schlechten Zeiten wird also die Nettokreditaufnahme konjunkturbedingt erhöht, in konjunkturell guten Phasen wird sie im Gegenzug reduziert. Zudem sieht dieser Artikel eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinflussen, vor. In diesen Fällen muss gleichzeitig ein Tilgungsplan beschlossen werden.
Befürworter*innen einer Reform der Schuldenbremse wie der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Prof. Dr. Michael Hüther, schlagen vor, Investitionen von der Schuldenbremse auszunehmen, um sowohl weiterhin Ausgabendisziplin sicherzustellen als auch zukunftsweisende Investitionen zu ermöglichen.
Die Herausforderung besteht dabei darin, „(Zukunfts-)Investition“ zu definieren. Eine Reform der Schuldenbremse ist nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat möglich.
- Abbau von Subventionen
Der Staat gewährt in vielen Bereichen Steuervorteile, die hinterfragt werden können und durch deren Abschaffung der Bund wichtiges Geld einsparen könnte. Im Fokus der Debatte stehen dabei unter anderem sogenannte „klimaschädliche Subventionen“, da diese sowohl den Haushalt belasten als auch die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft verzögern. Prominente Unterstützer*innen dieser Maßnahmen finden sich im Sachverständigenrat zur wirtschaftlichen Entwicklung, den „Wirtschaftsweisen“. Die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Prof. Dr. Dr. Monika Schnitzer, sowie der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Prof. Dr. Michael Hüther, benennen hierfür beispielsweise konkret die Abschaffung der Steuervergünstigungen für Kerosin und für internationale Flüge, die Steuervergünstigungen für Diesel und die steuerliche Begünstigung privat genutzter Dienstwagen gegenüber Privatwagen. Im sozialen Bereich benennt die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Prof. Dr. Dr. Monika Schnitzer unter anderem die Begrenzung künftiger Anstiege der Mütterrente als Option.
Wissenschaftliche Einschätzungen über die Höhe der Einsparungen durch klimaschädliche Subventionen reichen von rund 23,5 Milliarden bis 30 Milliarden Euro.
- CO2-Emissionshandel
Als CO2-Emissionshandel werden Abgaben bezeichnet, die für die Emission von Kohlenstoffdioxid fällig werden, welches maßgeblich für den Anstieg der Treibhausgase und damit für die Klimaerwärmung verantwortlich ist. Ziel des CO2-Emissionshandels ist, dass die negativen Auswirkungen der Emissionen durch einen definierten Preis kompensiert und verringert werden.
Seit Januar 2021 gelten in Deutschland CO2-Preise für die Bereiche Wärme und Verkehr. Zuvor mussten nur Unternehmen bestimmter Sektoren für den Ausstoß von CO2 zahlen. Unternehmen, die CO2 ausstoßen, können Zertifikate erwerben, mit denen sie ein Verschmutzungsrecht für das Ausstoßen der Treibhausgase erhalten. Die Zertifikate sind über den nationalen Emissionshandel erhältlich.
Nach der Einführung der CO2-Steuer im Januar 2021 betrug der Preis für eine Tonne zunächst 25 Euro. Im Jahr 2022 betrug der Preis bereits 30 Euro pro Tonne. Bis zum Jahr 2025 soll der Preis schrittweise auf bis zu 55 Euro steigen.
Zuletzt wurde über einen zweiten, europaweiten Emissionshandel diskutiert. Von diesem wären auch die privaten Verbraucher betroffen. Unternehmen, die Privatpersonen Benzin, Diesel, Heizöl oder Gas verkaufen, sollten auch hierfür CO2-Zertifikate vorweisen müssen. Dadurch würde das Heizen und Autofahren teurer werden. Mitte 2022 einigte sich das EU-Parlament jedoch, Privatpersonen von der zusätzlichen CO2-Abgabe auszuschließen und nur die Unternehmen zusätzlich zu belasten.
Prominenter Befürworter der Option der Anhebung des CO2-Preises ist der Wirtschafts- und Klimaexperte Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Einen CO2-Preis von 130 bis 350 Euro pro Tonne erachtet er als sinnvoll, um das Klimaziel von 1,5 Grad zu erreichen.
Bewertung:
Ausgabenseitig müssen zum Beispiel ALLE Subventionen neu und unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit bewertet werden, unabhängig davon, ob sie bereits bestehen oder geplant sind. Ein bloßes Umschichten der Ausgaben wird aus Sicht vieler Expert*innen jedoch nicht reichen, um den vorhandenen Investitionsbedarf zu decken. Als eine mögliche Lösung wird die Anhebung des CO2-Preises diskutiert, nicht nur, um Klimaschädlichkeit realistischer zu bepreisen, sondern auch um die Einnahme-Seite des Staates zu stärken. Denkbar wäre auch die Aufnahme einer #Investitionsklausel in die Schuldenbremse, wie von Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), ins Spiel gebracht.
Aus Sicht der Unternehmerinnen des VdU ist eine Kombination der diskutierten Maßnahmen der richtige und ausgewogenste Weg. Weder braucht es klimaschädliche Subventionen oder die Rettung von Zombieunternehmen durch die fiskalische Gießkanne noch einen künstlich klein gehaltenen CO2-Preis. Mit Blick auf den Umbau unserer Volkswirtschaft in den kommenden Jahrzehnten und dem nicht wegzudiskutierenden Investitionsstau wäre es kontraproduktiv, wenn die Regierungsverantwortlichen jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Es braucht Investitionen in Bildung, digitale Transformation, Energie- und Verkehrsinfrastruktur, Klimaneutralität, Stärkung des Unternehmertums und Kinderbetreuung Das Ziel muss jetzt sein, parteipolitische Dogmen beiseite zu schieben und alle demokratischen Kräfte zu vereinen, um möglichst schnell Planungssicherheit für die Wirtschaft und für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.