UNTERNEHMERIN International

Brücken bauen

In der British Chamber of Commerce in Germany setzt sie sich als Geschäftsführerin für Diversität und Vielfalt ein: Ilka Hartmann. Dabei liegen ihr nicht nur die deutsch-britischen Beziehungen am Herzen, sondern auch die gute Vernetzung von Frauen in der Wirtschaft.

Interview ELIZABETH LEHNICH

Liebe Ilka, Du hast letztes Jahr die Geschäftsführung der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG) übernommen. Vorher warst Du bereits ehrenamtlich für die Kammer tätig. Woher kommt deine Affinität zu Großbritannien und wo siehst Du die größten Gemeinsamkeiten zwischen Briten und Deutschen?

In der 8. Klasse war meine Englischnote nicht gut. Meine Eltern haben mich daher im Sommer 1979 auf die Kings School nach Bournemouth geschickt. Das war für mich eine wunderbare Erfahrung und mich hat die Liebe zu Großbritannien seither nicht mehr losgelassen. Wir haben mit den Briten so viel gemeinsam, teilen die gleichen Werte, verfolgen oft die gleichen Ziele, setzen uns für Freiheit und Demokratie ein. In vielen Bereichen ergänzen wir uns auch sehr gut und große Zukunftsprojekte wie z.B. Klimaschutz sowie Außen- und Sicherheitspolitik können wir nur gemeinsam angehen.

Mit der Kammer baut ihr Brücken zwischen den beiden wichtigen Wirtschaftsnationen Großbritannien und Deutschland. Das bilaterale Handelsvolumen beträgt 180 Mrd. Euro, Großbritannien ist das 7. größte Exportland Deutschlands. Du hast deine neue Rolle in herausfordernden Zeiten übernommen. Was tut ihr, um die negativen Folgen des Brexits zu minimieren?

Die beste Route durch ein unruhiges „Fahrwasser“ ist ein stabiles Business-Netzwerk. Das bietet die BCCG seit Jahren, aber wir entwickeln das gemeinsam mit unseren Mitgliedern weiter und bauen es aus. Wichtig ist es dabei, sich kontinuierlich an die Veränderungen und Herausforderungen, die es zu Genüge gibt, anzupassen. Unser Netzwerk ist eine Plattform und ein Marktplatz, um sich auszutauschen, gemeinsame Projekte zu realisieren und Probleme zu lösen. Darüber hinaus bieten wir eine Vielzahl relevanter Informationen über unsere Veranstaltungsformate, Publikationen und Expert*innengruppen an. Das Ganze tun wir länderübergreifend mit 12 Regional Committees. Durch unsere drei Regionen im Vereinigten Königreich und unsere enge Verbindung zur Britischen Botschaft und der British Chamber vor Ort ist es für uns sehr leicht, B2B-Kontakte zu vermitteln, Chancen aufzuzeigen und Brücken jeder Art erfolgreich zu bauen.

Ähnlich wie der VdU bietet die BCCG neben der politischen Interessenvertretung ein starkes Business-Netzwerk. Kann die Wirtschaft gerade in Krisenzeiten mehr bewegen als die Politik?

Davon bin ich überzeugt. Wirtschaft taktiert nicht – Wirtschaft agiert! Einfach machen und pragmatische Lösungen suchen, innovativ und agil sein. Das kann Wirtschaft gut – das haben wir während des gesamten Brexit-Prozesses gesehen und noch mehr in der Zeit seit dem 1. Januar 2021. Während die Politik versucht, einen Rahmen zu setzen, der für alle anwendbar ist, sucht die Wirtschaft konkrete Lösungen für den Einzelfall und das gelingt oft besser und schneller. Ich würde mir dabei gerade auch hier den britischen Ansatz wünschen, denn die Briten regulieren zielorientiert, was das Management sehr erleichtert, während man bei uns immer prozessorientiert reguliert, was länger dauert, bis eine Lösung gefunden wird, die dann auch meist noch aufwendiger nachzuhalten ist. Mehr Pragmatismus können wir von den Briten noch lernen.

Der jüngste Report der AllBright Stiftung beklagt einen Rückgang des Frauenanteils bei den deutschen 30 DAX-Unternehmen in der Pandemie auf 12,8 Prozent, wohingegen im Ausland vielfältigere Führungsteams aufgebaut werden. In Großbritannien ist der Frauenanteil im Top-Management mit 24,5 Prozent fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Was läuft dort besser?

Das lässt sich nicht pauschal beschreiben. Und dann sieht es auch ein wenig besser aus, als es wirklich ist, da in Großbritannien nicht zwischen Vorstand und Aufsichtsrat unterschieden wird – es gibt eine „unitary board structure“, die beides vereint. Dennoch ist uns das Vereinigte Königreich diesbezüglich voraus. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich mehr oder weniger organisierte Frauenrechtlerinnen (Suffragetten) für ein allgemeines Frauenwahlrecht eingesetzt. Darüber hinaus gibt es in Großbritannien die schulische Vollzeitbetreuung ab dem 4. Lebensjahr sowie eine viel größere gesellschaftliche Akzeptanz von „Working Mums“. Das Wort „Rabenmutter“ oder etwas Ähnliches existiert im Englischen nicht. Aber nicht nur in Großbritannien, auch in Ländern wie den USA, Schweden, Frankreich und Polen ist die Situation genau umgekehrt. Diese Länder bauen gerade jetzt während der Krise kontinuierlich ihre vielfältigen Teams auf, weil sie erkannt haben, dass vielfältige Teams besser mit komplexen Herausforderungen umgehen können.

Du hast dich schon immer für Frauen in der Wirtschaft engagiert und hast mit dem SHE VIP Lunch und SHeconomy gezielt Frauennetzwerke gegründet. Früher war BCCG bekannt als Club der älteren Herren. Wie hast Du es geschafft, die Kammer zu verjüngen und weiblicher zu machen?

Das war gar nicht schwer. Wir haben einfach das Angebot entsprechend angepasst und erweitert. Mit einer gezielten Kommunikation über unsere engagierten Mitglieder, zu denen auch einige Influencer*innen zählen, haben wir dafür geworben und immer mehr Zuspruch bekommen. Unser SHeconomy Format erfreut sich großer Beliebtheit. Es freut uns daher besonders, dass wir hier bei einigen Veranstaltungen mit dem VdU kooperieren können. Auch unser Young Executive Netzwerk, YBCCG, ist stark gewachsen und inzwischen schon in sieben Regionen aktiv. Beides sind inzwischen eigene Communities innerhalb der BCCG, was eine große Bereicherung ist.

Last but not least: Mit deiner grenzenlosen Energie bist Du eine begnadete Netzwerkerin. Was ist dein Erfolgsgeheimnis und welche zwei Tipps würdest Du Frauen geben, die ihr Netzwerk international erweitern möchten?

Erstens: Handle nicht mit der Absicht, eine direkte Gegenleistung zu erhalten. Mich erfüllt es und ich freue mich, wenn ich andere zusammenbringen kann und sich daraus Gutes ergibt. Über die Zeit – und so sollte Netzwerken sein und nicht nur einmalig – gleicht sich die Bilanz immer aus. Ein gesundes Geben und Nehmen. Dabei ist es wichtig, dass man offen und ehrlich kommuniziert. Zweitens: Sei offen und schaue über den Tellerrand hinaus. Beschäftige dich nicht nur mit Kontakten, die mit dem unmittelbaren beruflichen Thema zu tun haben. Es ist wichtig, auch Veranstaltungen einfach so zu besuchen, wenn sie interessieren. Denn: Bei einem guten und belastbaren Netzwerk kommt es auch auf Diversität und Vielfalt an. Ein anderer Blickwinkel kann manchmal sehr hilfreich sein. Grundlage all dessen ist, dass man Menschen mag. Wer Netzwerkerin ist, findet seine Kontakte auch weltweit. Social Media ist dafür ein gutes Medium. Man muss sich sichtbar machen und klar formulieren, wofür man steht. Ein wenig Selbstbewusstsein und ab und zu die Komfortzone zu verlassen führt zu großartigen neuen Kontakten!

 

ZUR PERSON

ILKA HARTMANN ist Geschäftsführerin der British Chamber of Commerce in Germany e.V. Sie ist eine leidenschaftliche Netzwerkerin, die sich für die britisch-deutschen Beziehungen ebenso einsetzt wie für starke Frauennetzwerke. Die British Chamber of Commerce in Germany e.V. ist ein privatwirtschaftlich finanziertes Unternehmensnetzwerk, das im bilateralen Handel und Geschäftsverkehr tätig ist. Die BCCG unterstützt den bilateralen Handel und die gegenseitigen Beziehungen. www.bccg.de
 

Dieser Artikel wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN (2021/1) veröffentlicht.