Historie

Ein lebendiges Netzwerk und eine engagierte Interessenvertretung zeichnen den Verband deutscher Unternehmerinnen von Beginn an aus.

Von Anfang an mit klarem Kurs

Ein klares wirtschaftspolitisches Profil und konsequentes Eintreten für bessere Bedingungen für Frauen in der deutschen Wirtschaft prägen seit über sechs Jahrzehnten die Verbandsgeschichte.

„Wer wünscht Mitglied der Vereinigung zu werden? 31 Damen stimmen zu. Hiermit hat die‚Vereinigung von Unternehmerinnen‘ das Licht der Welt erblickt.“ So verzeichnet der Stenogrammbericht den entscheidenden Moment während der Gründungssitzung der Vereinigung von Unternehmerinnen. Es ist der 30. November 1954, an dem sich im Hochzeitssaal des Kölner Domhotels eine Gruppe von gestandenen Unternehmerinnen versammelt, um Neues für die Frauen in der deutschen Wirtschaft zu wagen: Sie gründen den ersten branchenübergreifenden Interessenverband für Unternehmerinnen.

Es sind mehrheitlich Damen aus der Metallindustrie und dem produzierenden Gewerbe, die an jenem Dienstagmorgen in Köln zusammenkommen. Viele bringen langjährige Geschäftserfahrung mit und sind meist selbst reif an Jahren, fühlen sich aber in der Wirtschaftswelt nicht geachtet und in der Verbandslandschaft des jungen Wirtschaftswunderlandes nicht angemessen vertreten.

Einladung zur Gründungsversammlung, verfasst von Käte Ahlmann und unterzeichnet mit ihrem Geschäftsnamen.

Nelke im Knopfloch der deutschen Wirtschaft?

Frauen an der Spitze von inhabergeführten Unternehmen sind zwar keine Rarität in der jungen Bundesrepublik, aber selten genug, um als Randerscheinung behandelt zu werden. Sie werden als „Nelke im Knopfloch der deutschen Wirtschaft“ belächelt oder als Übergangserscheinung nach den Wirren der Kriegsjahre betrachtet, wie es der damalige BDI-Präsident Fritz Berg formuliert. Gleichwohl wünschen die männlich dominierten Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft Einfluss zu nehmen auf den neu gegründeten Unternehmerinnenverband. Schon vor der offiziellen Gründung bemühten sich namentlich die Verbandsvertreter der Familienunternehmer, die Vereinigung von Unternehmerinnen unter dem Dach des eigenen Verbandes entstehen zu lassen.

Entsprechende Eingliederungsversuche wehrt die Initiatorin der Unternehmerinnenvereinigung mit höflicher Distinktion ab: Solche „Unselbständigkeit“ vertrage sich nicht mit dem Grundgedanken der Gründung; sie bemerkt mit schmunzelndem Unterton:

„[Den Herren] wurde es, schien mir, doch etwas schwummerig zu Mute, nicht wegen der Sache an sich, die begrüßt wurde, wohl aber wegen der vielen Weiblichkeit, die da plötzlich ungebeten auftaucht“.

So klar die Unternehmerinnen auch ihre Eigenständigkeit verteidigen, so eng bleibt der neue Wirtschaftsverband den bewährten Unternehmensvertretungen verbunden: Für wirtschaftspolitische Abstimmung und gutes Einvernehmen sorgt nicht zuletzt ein Beirat, in den fünf führende Vertreter der deutschen Spitzenverbände aufgenommen werden – selbstredend Männer – und der bis Anfang der sechziger Jahre besteht. Zur ersten Vorsitzenden des neuen Verbandes wird die Gründungsinitiatorin gewählt, die erfahrene Stahlunternehmerin Käte Ahlmann, die im Gründungsprotokoll nach althergebrachtem Duktus als Frau Julius Ahlmann verzeichnet ist, der Geschäftsname, den sie seit ihrem Eintritt in die Unternehmensverantwortung 1931 verwandte.

Mitglieder der Vereinigung von Unternehmerinnen bei einer Reise

1957: Durchbruch in der öffentlichen Wahrnehmung

Die Gründung des Unternehmerinnenverbandes trifft den Nerv der Zeit. Rasch findet er Zulauf: Binnen eines Jahres nach ihrer Gründung hat die Vereinigung ihre Mitgliederzahl verdreifacht. Namhafte Unternehmerinnen der Nachkriegsgeschichte wie Grete Schickedanz oder Liz Mohn schließen sich an; viele bedeutende Firmennamen wie Oetker, Tengelmann, Bertelsmann, Sixt und Bauknecht sind dem Verband deutscher Unternehmerinnen bis heute eng verbunden. In konzentrischen Kreisen rund um die industriellen Kerngebiete in Westdeutschland wachsend, steigt die Zahl der Mitglieder schon wenige Jahre nach der Gründung auf 700, und 1967 kann bereits die 1.000ste Unternehmerin im Verband begrüßt werden.

Dabei ist die Latte für die Mitgliedschaft durchaus hoch gelegt: Bedingung ist die verantwortliche Leitung eines Unternehmens mit mindestens 10 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von 1 Million DM. Auf die Einhaltung dieser Aufnahmekriterien und auf die ebenfalls geforderte Beibringung eines Bürgen achtet ein eigens eingerichteter Aufnahmeausschuss. Auch der festgesetzte Mitgliedsbeitrag von 50 DM ist angesichts des damals durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienstes von 450 DM durchaus anspruchsvoll.

Empfang einer Unternehmerinnendelegation bei Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard 1957

Informationen und Vernetzung

Die ersten Schritte des Unternehmerinnennetzwerkes sind praktischer Natur: Intensiver Austausch und gegenseitige Unterstützung, Weiterbildung in Fachfragen der Unternehmensführung und des Wirtschaftsrechts. Der früh eingerichtete Rundbrief bietet neben Verbandsnachrichten vor allem betriebs- und volkswirtschaftliche Informationen für die Unternehmerinnen. In den ersten Jahren noch hektografisch vervielfältigt, wandelt sich der Rundbrief von einem vorwiegend internen Mitteilungsforum zu einem thematisch breit aufgestellten Medium. Zu den Nachrichten aus dem Verband und den Informationen, die der praktischen Wirtschaftstätigkeit zugutekamen, treten zunehmend externe Beiträge von wirtschaftlich und politisch renommierten Gastautoren. Auch gestalterisch passt sich das Blatt der gewachsenen Bedeutung an: Ab 1968 als Zeitschrift mit dem Titel „Die Unternehmerin“ in stetig professionalisierter Aufmachung.

Von Beginn an bemühen sich die Unternehmerinnen um eine angemessene Vertretung von Frauen in der Verbandswelt und um eine entsprechende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. So betreibt der junge Verband unter der Ägide von Käte Ahlmann intensive Vernetzung nach innen wie nach außen und legt Wert auf eine rege Presse- und Werbetätigkeit. Als die Gründungspräsidentin nach acht Jahren fast ununterbrochenen Engagements ihr Amt aufgibt, ist ihr wichtigstes Anliegen für die Zukunft der Verbandsarbeit, dafür zu sorgen, dass „nicht mehr so viel Unsinn über uns Unternehmerinnen in der Presse steht.“

Ein Kaleidoskop durch die Jahrzehnte der Mitgliederzeitschrift

Die Unternehmerin 1961
Die Unternehmerin 1973
Die Unternehmerin 1984
Die Unternehmerin 2006

Unternehmerinnen auf Augenhöhe

Dieser Aufgabe nimmt sich ihre Nachfolgerin tatkräftig an. Die Leiterin eines Messtechnik-Unternehmens und spätere Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Lily Joens ist zur Not auch nicht um deutliche Worte verlegen. Charakteristisch für die energische Art der zweiten Vorsitzenden, mit der sie siebzehn Jahre den Verband führt, ebenso wie für das unprätentiöse Selbstbewusstsein der deutschen Unternehmerinnen ist der entschiedene Ton, in dem Joens die abschätzige Bemerkung eines Wirtschaftspädagogen zurückweist:

„Frauen soll man lieben, aber keine Geschäfte mit ihnen machen“.

Da dieses verunglückte Bonmot ausgerechnet in einer Wirtschaftszeitschrift veröffentlicht wird, wendet sich die Präsidentin der Unternehmerinnen umgehend sowohl an den Verfasser als auch an den zuständigen Redakteur und fordert Aufklärung. Auf die wortreiche Entschuldigung des Autors für seinen „entlaufenen Spruch“ erwidert Joens spöttisch, Männer seien doch „der Sage nach mit so besonders logischen Verstandeskräften begabt“ und sollten daher „doch etwas präziser nachdenken, ehe sie Bonmots über Frauen zum besten und sie dann auch noch für Wirtschaftsinformationen zur Veröffentlichung frei geben!“

Der zuständige Redakteur versucht es in seinem Entschuldigungsschreiben mit dem Hinweis, der „übertreibende Scherz“ habe zum Nachdenken Anstoß geben sollen. Die VdU-Präsidentin attestiert ihm eine „zweifellos clevere“ Argumentation, die auf praktisch alle Fälle zutreffe – jedoch sollten „solche Provokationen in ihrem Niveau nicht allzu oberflächlich und vordergründig sein“.

Den Unternehmerinnen ein gleichberechtigtes Standing in der Öffentlichkeit ebenso wie in der Verbandswelt zu verschaffen, ist das erklärte Ziel des Unternehmerinnenverbandes – und nur mit Beharrlichkeit zu erreichen: Noch 1974 muss Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer von einem VdU-Mitglied darauf hingewiesen werden, in der Anrede seiner Rundschreiben auch weibliche Mitglieder der BDA anzusprechen; unumwunden gibt er zu:

„Leider haben Sie mit ihrem Monitum nur allzu Recht! Da haben also einige gestandene Männer einige Mühe aufgewendet, um einen möglichst überzeugenden Brieftext aufzusetzen – um dann schon in der Anrede der Adressaten die Adressatinnen ganz einfach zu vergessen. Woraus Sie, gnädige Frau, ersehen mögen: Hier gibt es keine Ausrede, keine Erklärung, hier gibt es nur die Bitte um Nachsicht, dass dies geschehen ist und die Versicherung, dass es nicht wieder vorkommen soll.“

Zwanzig Jahre nach der Gründung kann die Präsidentin positive Bilanz ziehen: Der beharrliche Einsatz für unternehmerisch tätige Frauen habe „eine Bresche geschlagen in die Mauer der Ablehnung gegen die Frauen in Führungspositionen“, inzwischen werde das „Phänomen Unternehmerin […] nicht mehr als Randerscheinung abqualifiziert“. Die zukünftigen Aufgaben des Unternehmerinnenverbandes formuliert die Präsidentin prophetisch:

„Die Frau heute hat auf allen Gebieten – nicht nur auf dem wirtschaftlichen Sektor – ihr eigenes Rollenverhalten wesentlich geändert. Der Beitrag [des VdU] zum Abbau der Vorurteile beschränkt sich daher nicht auf die Stellung der Unternehmerin oder auf die Lage der berufstätigen Frau, sondern er umgreift gleichzeitig den Wandel unserer gesamtgesellschaftlichen Situation.“

VdU goes global

Seit der Gründung als Teil eines europäischen Unternehmerinnennetzwerkes aktiv, setzen sich die deutschen Unternehmerinnen besonders für internationale Kontaktpflege ein, um – in den Worten Käte Ahlmanns – „von Mensch zu Mensch Brücken zu schlagen im Sinne der europäischen Verständigung“.

Zusätzlich motiviert durch die innige Verbindung zur Initiatorin des internationalen Unternehmerinnenzusammenschlusses, der französische Unternehmerin Yvonne Foinant, widmen sich die deutschen Verbandsvertreterinnen von Anfang an begeistert den vielfältigen Chancen und Perspektiven der Kontakte zu ausländischen Kolleginnen. Ihr besonderes internationales Engagement drückt sich nicht zuletzt darin aus, dass Präsidentinnen der deutschen Unternehmerinnen als Vizepräsidentin des FCEM auch im Weltverband Verantwortung übernehmen.

Zahlreiche Reisen zu internationalen Kongressen und Kontaktaufbau mit Unternehmerinnen aus dem Ausland folgen und bleiben vielfach in lebendiger Erinnerung und enger Verbindung – zunächst auf europäischer Ebene, mit dem Wachsen des internationalen Dachverbandes FCEM in alle Erdteile.  Mehrfach wird der deutsche Unternehmerinnenverband mit der Ausrichtung internationaler FCEM-Kongresse betraut, zuletzt im September 2012, als über 600 Unternehmerinnen aus 42 Ländern zum Weltkongress in Berlin zu Gast sind und dort auch von der Bundeskanzlerin begrüßt werden.

FCEM-Kongress London 1968 Empfang bei Her Royal Highness Princess Margaret
Empfang einer Unternehmerinnendelegation bei Papst Johannes Paul II. anlässlich des 29. FCEM-Kongresses 1979 in Florenz
Ein Höhepunkt des Unternehmerinnen-Weltkongresses in Indien 1984 ist das Zusammentreffen mit Indira Gandhi

Auf gute Nachbarschaft mit den Spitzenverbänden

Die Geschäftsstelle ist in den Anfangsjahren des Verbandes am Unternehmenssitz der jeweiligen Präsidentin angesiedelt und zieht beim Wechsel der Vorsitzenden um. Das spart Zeit und Organisationsaufwand für den jungen Verband und ist angesichts der langen Präsidentschaften in den ersten Jahrzehnten gut praktizierbar. Erst 1978 wird die Geschäftsstelle in Köln verankert, nicht von ungefähr in unmittelbarer Nähe zum Sitz der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Mit dem Regierungsumzug nach Berlin wechselt auch der VdU an die Spree: Tür an Tür mit den führenden Vertretern von BDA, BDI und DIHK zieht der VdU im März 2000 für mehr als zehn Jahre als Mieter des DIHK in das neu errichtete Haus der Deutschen Wirtschaft im Zentrum Berlins.

„Lassen Sie Sich nicht unterkriegen von den vielen Männern! Wir wollen, dass es Sie zahlreicher gibt, wir wollen, dass Sie eine laute Stimme haben!“ Dr. Angela Merkel

Nicht nur räumlich schafft der Unternehmerinnenverband Nähe zu den Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft. Unbeirrt treten die Unternehmerinnen für die Soziale Marktwirtschaft ein und bleiben auch in Zeiten der Wirtschaftskrise entschiedene Verfechterinnen des freien Unternehmertums. Im Dienst des Mittelstandes profiliert sich auf Seiten des Unternehmerinnenverbandes vor allem Dr. Anne-Rose Iber-Schade, die bereits im ersten Jahr ihrer Amtszeit als Präsidentin des VdU von Bundeskanzler Helmut Schmidt als erste Frau in die Monopolkommission der Bundesregierung berufen wird. Die Chefin eines international tätigen Automobilzulieferers gehört der Kommission bis 1988 an und sorgt nach ihrem Ausscheiden maßgeblich dafür, dass ihr ebenfalls eine Unternehmerin nachfolgt.

Die damalige Oppositionsführerin und CDU-Vorsitzende Dr. Angela Merkel gratuliert den Unternehmerinnen zur offiziellen Einweihung der neuen VdU-Geschäftsstelle in Berlin
VdU-Präsidentin Stephanie Bschorr mit Bundeskanzlerin Angela Merkel beim FCEM-Kongress im September 2012 mit 600 Unternehmerinnen aus 42 Ländern in Berlin

Neue Perspektiven nach der Wende

Hatte sich die 1989 neu gewählte Präsidentin Eugenie Burgholte-Kellermann zu Beginn ihrer Amtszeit noch eine europäische Agenda geben wollen, so nimmt die neue gesamtdeutsche Perspektive des Wendejahres 1989 rasch die Priorität der Verbandsarbeit ein. Unmittelbar nach der Maueröffnung wenden sich die deutschen Unternehmerinnen an unternehmerisch tätige Frauen hinter dem ehemals Eisernen Vorhang. Im Geist gegenseitigen Respekts entstehen rasch zahlreiche „Stützpunkte“ des Unternehmerinnenverbandes in den neuen Bundesländern, neue Mitglieder und über 800 Interessentinnen werden gewonnen: Auf der Jahresversammlung 1990 wird dieser Erweiterung des Verbandes auch in der Namensgebung Rechnung getragen: Die Vereinigung von Unternehmerinnen benennt sich um und firmiert von nun an als Verband deutscher Unternehmerinnen.

Als gesamtdeutscher Verband im Interesse unternehmerisch tätiger Frauen Einfluss zu nehmen auf die wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Diskussion, dieses Ziel setzen die Mitglieder des VdU bis heute in verschiedensten Initiativen um: Mit über 300 Veranstaltungen im Jahr und zahlreichen Arbeitsgruppen und Ausschüssen stehen Stichworte wie Unternehmerinnentage oder Veranstaltungen wie Ladies only stellvertretend für das vielfältige Engagement des Verbandes.

„Der Verband deutscher Unternehmerinnen ist der lebendige Beweis dafür, dass sich Frauen in der Wirtschaft keineswegs schlechter bewähren als Männer“. Dr. Angela Merkel zum 40-jährigen Jubiläum des VdU

Festschrift 60 Jahre VdU

Sechs Jahrzehnte erfolgreiche Interessenvertretung für unternehmerisch tätige Frauen – das ist ein starker Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte unseres Landes. Zugleich ist es ein beachtlicher Beitrag zur Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland. Die vorliegende Festschrift aus dem Jahr 2014 würdigt das Engagement zahlreicher Vertreterinnen, die den VdU mit ihrer Zeit, ihren Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit wesentlich geprägt haben und die viel für die Frauen im Wirtschaftsleben erreicht haben.
 

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