Wegbereiterin Heidi Huber-Kamm im Portrait
Anders als in vielen Familienunternehmen üblich, war die Übergabe des Betriebs an die nächste Generation keineswegs von langer Hand geplant. Statt die Nachfolge zu forcieren, sollte jedes der drei Kinder die Gelegenheit und alle Freiheit haben, sich zu entfalten und eigene (berufliche) Wege zu gehen. Dennoch sollte das Thema Unternehmensnachfolge für die beiden Senior-Chefs vor rund acht Jahren konkreter werden: Heidi Huber-Kamm und ihr Mann Paul Kamm suchten das offene Gespräch mit ihren Kindern und adressierten die perspektivisch ausstehende Möglichkeit der Nachfolge des Familienbetriebs – verbunden mit der Hoffnung, dass 110-köpfige Unternehmen aus Erding auch künftig in Familienhand zu wissen.
Die beiden Töchter schienen von Beginn an sehr entschieden, als es um die Fortführung des Familienbetriebs in vierter Generation ging. Nach dem Vorbild ihrer Eltern, Großeltern und sogar Ur-Großeltern, beschlossen Johanna und Veronika Kamm die Führung perspektivisch in Doppelspitze anzutreten. Bereits die Gründer und Ur-Großeltern der beiden Nachfolgerinnen verteilten die Verantwortung immer schon auf mehrere Schultern. Seit Gründung 1925 hatte sich das Führen in Doppelspitze bei Technik Huber GmbH & Co. KG auch aufgrund der (Weiter-) Entwicklung des Betriebs in die zwei Bereiche Gummiproduktion und Maschinenbau bewährt.
Die Übergabe an die beiden Töchter folgte dabei keinem niedergeschriebenen Konzept, stattdessen wurde auf die individuellen Bedürfnisse und den Fortschritt der Töchter geachtet. Hierbei wurde der Prozess mit viel Fingerspitzengefühl und so flexibel wie möglich gestaltet, wobei zentrale Meilensteine immer wieder benannt und von allen Parteien gemeinsam festgelegt und zeitlich anvisiert wurden.
Veronika Kamm trat nach ersten Berufserfahrungen und einiger Zeit im Ausland bereits 2017 ins Unternehmen ein und übernahm sukzessive den Unternehmenszweig der Gummiproduktion, den bis dahin ihr Vater Paul Kamm als Geschäftsführer betraute. Johanna Kamm trat nach ihrem Jurastudium und dem erfolgreich absolvierten Staatsexamen 2020 ins Unternehmen ein und verantwortet seither gemeinsam mit ihrer Mutter den Bereich Maschinenbau.
Strategische Planung, emotionale Intelligenz und ein Fokus auf langfristige Nachhaltigkeit prägten diesen Weg. „Insgesamt war es unser Ziel ein Erbe zu hinterlassen, das Geschäftssinn, familiäre Werte und strategisches Denken in einer harmonischen Einheit vereint. Das sollte auch unseren Übergabeprozess deutlich prägen“, beschreibt die Unternehmerin Heidi Huber-Kamm.
Rückblickend bot die rechtzeitige Einleitung der Unternehmensübergabe die Möglichkeit, eine nahtlose und gut geplante Fortführung des Unternehmens zu gewährleisten. „Da der Übergabeprozess frühzeitig angestoßen wurde, hatten unsere Töchter ausreichend Zeit, sich in ihre zukünftigen Rollen einzufinden und das notwendige Wissen und die Verantwortlichkeiten schrittweise zu übernehmen.“ Diese Voraussicht ermöglichte nicht nur eine reibungslose Übergabe, sondern eröffnete dem Unternehmen auch die Chance, von einem kontinuierlichen Führungsstil und gleichzeitig von neuen Ideen und Perspektiven der nächsten Generation zu profitieren. Die rechtzeitige Übergabe sicherte somit die langfristige Stabilität und Entwicklung des Unternehmens.
Veronika und Johanna kennen das Unternehmen seit ihrer frühsten Kindheit. „Unsere Kinder sind im und mit dem Unternehmen aufgewachsen“, erinnert sich Heidi Huber-Kamm. „Sie haben früh viel mitbekommen – auch, weil wir Unternehmertum als Familie (vor-) gelebt haben!“ Doch die Entscheidung, den Betrieb an die Töchter zu übergeben, beruhte auf einer sorgfältigen Abwägung vieler Aspekte, erinnert sich die Erdinger Unternehmerin. Leidenschaft für Innovation und unternehmerisches Denken waren dem ehemaligen Führungs-Duo Paul Kamm und Heidi Huber-Kamm dabei besonders wichtig. Aber auch fachliche Kompetenz, persönliches Engagement und allen voran eine tiefe Verbundenheit zu den Unternehmenswerten spielten – gerade mit Blick auf das vertraute Verhältnis zu den eigenen Mitarbeitenden und langjährigen Kund*innen – eine zentrale Rolle.
Die Senior-Chefin bringt es auf den Punkt: „Es braucht nicht nur junge Menschen, die die Nachfolge antreten möchten und Senioren, die bereit sind, den Betrieb zu übergeben – es braucht den Rückhalt der Belegschaft. Du brauchst deine Mitarbeiter*innen an Board!“ Stets Einsatz und Loyalität gegenüber dem Unternehmen zu zeigen, die Bereitschaft, frühzeitig Verantwortung zu übernehmen und stets ein offenes Ohr für Mitarbeitenden und ihre Anliegen zu haben, all diese Werte, vermittelte das Unternehmer-Paar seinen Kindern von jeher und lebte diese (Unternehmens-) Kultur vor. „In der Produktion auszuhelfen oder in der Kantine einzuspringen, weil die Besetzung krankheits- oder urlaubsbedingt dünn war, war hierbei nichts Ungewöhnliches – auch für die Kinder nicht.“ Die Wahl der Töchter als Nachfolgerinnen war somit nicht nur eine strategische Entscheidung, sondern auch eine emotionale, um sicherzustellen, dass die Familientradition und die Identität des Unternehmens weitergeführt werden.
Nachdem Paul Kamm bereits kürzergetreten und seinen Verantwortungsbereich an die älteste Tochter übergeben hat, sieht der nächste Meilenstein im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Firmenjubiläum (2025) vor, dass sich auch Senior-Chefin Heidi Huber-Kamm offiziell aus dem operativen Tagesgeschäft zurückzieht und die Verantwortung des Unternehmens damit vollends in die Hände der beiden Töchter übergeben wird. Damit wird der familieneigene Betrieb auch künftig in Doppelspitze in die nächste, nun vierte Generation, geführt.
Fotos © VdU, Foto Naglik
Heidi Huber-Kamm ist diesjährige Gewinnerin in der Kategorie „Wegbereiter*in des Jahres“ des she succeeds awards 2024.
____
Der she succeeds award ist der erste und einzige Preis in Deutschland, der weibliche Nachfolgeunternehmerinnen auszeichnet und sie als Vorbilder sichtbar macht. Mit der Kategorie „Wegbereiter*in des Jahres“ prämiert der VdU außerdem ehemalige Inhaber*innen, die mit einem ausgeklügelten Übergabekonzept, einem vorausschauenden Zeitplan und der intensiven Einarbeitung der Nachfolgerin zu einer erfolgreichen Unternehmensübergabe beigetragen haben. Denn im wirtschaftspolitischen Interesse liegt es, eine Erosion der mittelständischen Unternehmen zu verhindern, Beschäftigung und Ausbildung zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Betriebe zu erhalten.