Wirtschaft & Arbeit

Überlappende Krisen und die digitale Transformation im Fokus der Wirtschaftskommission

Die Arbeit der VdU-Wirtschaftskommission und Gespräche der Kommissionsmitglieder mit Unternehmerinnen des VdU sind bestimmt von den Sorgen um die Folgen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine für die Gas- und Energieversorgung in Deutschland, um unterbrochene Lieferketten für Rohstoffe oder Vorprodukte und die steigende Inflation. Dies gepaart mit dem sich zuspitzende Arbeits- und Fachkräftemangel, dem Ausblick auf eine Rezession sowie geplante Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit bringen alle Betriebe in enorme Bedrängnis.

60 Prozent der befragten VdU-Unternehmerinnen gaben Anfang Oktober 2022 an, von den steigenden Energiekosten betroffen (39 Prozent) oder stark betroffen (21 Prozent) zu sein. Jede fünfte Unternehmerin des VdU rechnet in ihrem Betrieb mit mehr als doppelt so hohen Energie- und Stromkosten für 2022, rund ein Viertel geht von Mehrkosten von 50 bis 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aus. Die Unsicherheit in der Wirtschaft und den Privathaushalten aufgrund der Energiekrise und steigender Preise zeigt sich in den frauengeführten Unternehmen massiv: Sie verzeichnen eine sinkende Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen (53 Prozent) und Auftragsstornierungen durch Kund*innen (27 Prozent) auf der einen Seite und den Rückgang des Eigenkapitals (41 Prozent), Liquiditätsengpässe (28 Prozent) und fehlende Rohstoffe (29 Prozent) auf der anderen Seite.

Dies bedroht die Existenz vieler Unternehmen in substanzieller Weise. In der aktuellen Situation ist für die Unternehmerinnen Planungssicherheit für die kommenden Monate von zentraler Bedeutung. Die Wirtschaftskommission des VdU hat die Debatte und Entscheidungsfindung der Bundesregierung um Entlastungen für Bürger und Wirtschaft begleitet und dabei in Statements und in Vorbereitung auf Gespräche des VdU mit Politiker*innen und Vertreter*innen der Ministerien gefordert, dass die Bundesregierung die bedrohliche Lage vieler kleiner und mittlerer Unternehmen in den Unterstützungsmaßnahmen besser berücksichtigt. Der VdU befürwortet grundsätzlich die Gas- und Strompreisbremse, kritisierte aber scharf das lange Ringen um deren Ausgestaltung und Finanzierung und dass sie erst 2023 wirksam werden kann. Dass der Bund im Dezember den Abschlag für die Gasversorgung privater Haushalte und kleiner und mittlerer Unternehmen übernimmt, ist eine wichtige Entlastung, die aber nicht notwendig wäre, wenn die Gas- und Strompreisbremse schneller umgesetzt worden wäre.

Unternehmerinnen fordern Stabilisierung und Diversifizierung des Energieangebots

Grundsätzlich favorisieren die Unternehmerinnen des VdU Energiepreissenkungen durch eine stabile Energieversorgung, anstatt ausschließlich auf staatliche Markteingriffe zu setzen. Drei von vier Unternehmerinnen sehen im Ausbau von erneuerbaren Energien (75 Prozent), gefolgt von einer verlängerten Laufzeit der Atomkraftwerke (63 Prozent) die wichtigsten Maßnahmen, um mittelfristig die Energiekosten in den Griff zu bekommen. Staatliche Marktregulierungen wie ein Gaspreisdeckel werden von 60 Prozent befürwortet. Das Ziel bleibt klar: Die Umstellung auf klimaneutrale Energieträger. Auf dem beschleunigten Weg dorthin und in der aktuellen, nie dagewesenen Krise, müssen die KMU aber weiter wettbewerbsfähig bleiben, ihre Produktion aufrechterhalten und Arbeitsplätze sichern können. Die Wirtschaftskommission fordert mit Nachdruck von der Bundesregierung technologieoffen alle Möglichkeiten zur Stabilisierung und Diversifizierung des Energie- und Stromangebots schnell und undogmatisch einzusetzen.

Auch wenn die Befreiung von Steuern und Sozialabgaben für krisenbedingte Einmalzahlungen der Arbeitgeber*innen an Mitarbeitende auf den ersten Blick eine gute Idee scheint, so verkennt sie, viele kleine und mittlere Betriebe haben nicht mehr den Liquiditätsspielraum, um solche Sonderzahlungen zu ermöglichen. Breitenwirksamer sei es, mehr Netto vom Brutto für alle zu ermöglichen, indem die kalte Progression abgebaut wird. Damit müsse aber auch zwingend eine umfassende Modernisierung der Sozialversicherungen einhergehen. Auch die Abfederung von Härten sei richtig und notwendig, muss jedoch handwerklich so gestaltet sein, dass sie unbürokratisch ist und zielgenau ankommt.

Energiekosten als Investitionshemmnis

Die hohen Energiekosten sind neben den auch in Krisenzeiten weiter zunehmenden bürokratischen Belastungen ein Investitionshemmnis für viele Unternehmen: Anfang Oktober gaben ein Viertel der befragten Unternehmerinnen des VdU an, geplante Investitionen in den Betrieben bereits verschoben zu haben, weitere 30 Prozent hatten dies vor. Die Wirtschaftskommission wird sich 2023 unter anderem mit der Frage beschäftigen, wie der Innovationsstandort Deutschland wieder gestärkt und wettbewerbsfähig werden kann und die Investitionsbereitschaft der KMU insbesondere in die großen Transformationsthemen Digitalisierungen und Klimawende gefördert werden kann.

Forderungspapier Wirtschafts- und MINT-Kommission zur digitalen Transformation des Mittelstands

Die digitale Transformation stand im 2. und 3. Quartal 2022 auch im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit der Wirtschafts- und der MINT-Kommission. Digitalisierung ist allgegenwärtig. Sie ist Treiber des technologischen Fortschritts und wirtschaftlichen Wachstums und eine der großen Chancen und Herausforderungen für kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland. Zusammen mit weiteren Expertinnen aus dem Verband diskutierte die beiden Kommissionen Fragen der Digitalisierung des Mittelstands. Das Ergebnis, einen umfassender Forderungskatalog, der zehn Punkte für die digitale Transformation enthält, stellte der Verband deutscher Unternehmerinnen im Oktober 2022 vor (siehe dazu auch Seite 23).

____________________________________________________

Arbeits- und Fachkräftemangel das Schwerpunktthema 2023

Schwerpunkt der Arbeit der Wirtschaftskommission wird 2023 der Arbeits- und Fachkräftemangel in kleinen und mittleren Unternehmen sein. Damit rückt die Kommission das Thema in den Fokus, das abseits der Krisen das größte Problem für Unternehmen aller Branchen und in allen Regionen Deutschlands darstellt. Auch mit Blick auf eine zügige und praxistaugliche Umsetzung der von der Bundesregierung erarbeiteten Fachkräftestrategie wird die Wirtschafts- gemeinsam mit der MINT-Kommission konstruktive Vorschläge und Forderungen für eine Bewältigung des Arbeits- und Fachkräftebedarfs aus Perspektive von unternehmerisch tätigen Frauen erarbeiten. Dabei wird auch der Input von Expertinnen aus Wissenschaft, Politik und dem Verband einfließen.

Foto: VdU