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Megatrends der Globalisierung

Globalisierung ist ein Thema, das polarisiert. Dabei wäre es sinnvoll, sich ihren Folgen mit einem neuen Blick zu nähern. Denn nicht nur Politik und Wirtschaft bestimmen den Kurs, auch Wissenschaft, Kulturen und Gesellschaft sind involviert. In dieser Konstellation kann sich Globalisierung neu erfinden – als Treiberin des Fortschritts.

„Die Globalisierung“ gibt es nicht. Vielmehr ist es die Sichtweise, die den Inhalt bestimmt. So begreifen Zukunftsforscher*innen die Globalisierung als weltweites Netzwerk, das von einem zunehmend engen – und freien – Austausch von Talenten, Ideen und Waren profitiert. Zudem verstehen sich nach ihrer Erkenntnis immer mehr Menschen als Teil einer Weltengemeinschaft mit verbindendem Erfahrungshorizont. In den Augen der Forscher*innen ergeben sich daraus die besten Voraussetzungen für die Entstehung neuer Megatrends. Die ersten zeigen bereits ein klares Profil und gewähren Einblicke in den Alltag von morgen.

Wissensgesellschaft

Immer mehr Menschen sind immer besser (aus)gebildet – weltweit. Das wird möglich durch eine zunehmende Vernetzung und einen globalen Wissensaustausch. Kostenlose Übersetzungsprogramme und -apps räumen Sprachbarrieren beiseite und bieten damit einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen. Wissen ist nicht länger elitär, sondern wird zum Gemeingut. Dabei kommt Schulen ein besonderer Stellenwert zu. Lerninhalte ändern sich. Es geht nicht mehr nur um das Was, sondern auch um das Wie, wenn es darum geht, die nächsten Generationen auf einen Berufsweg in einer digital transformierten Arbeitswelt vorzubereiten. Gleichzeitig steigt die Sensibilität für Fakten und Wahrheit. Schüler*innen und Studierende erlernen einen kritischen Umgang mit Inhalten und Medien. Unternehmen entdecken die Vorteile des kollektiven Wissens und sichern sich damit Wettbewerbsvorteile. Was die Wissensgesellschaft ebenfalls prägt, ist das lebenslange Lernen. Technologische Innovationen in immer schnelleren Schritten erfordern das stetige Aneignen von neuem Wissen, um die beruflichen Anforderungen zu erfüllen.

Digital Health

Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich in der Transformation. Und das fängt bei der stationären Behandlung in einer Klinik an. Für die Patient*innen kostenlose Plattformen vernetzen sie mit Mediziner*innen weltweit und begleiten den Behandlungsverlauf mit Telefonaten und E-Mails. Auf diese Weise soll jede*r Patient*in die bestmögliche Behandlung erhalten. Dazu kommt die wachsende Bedeutung digitaler Gesundheitsanwendungen. Wie die transnationalen Klinikplattformen sind sie so angelegt, dass sie an die Gesundheitssysteme verschiedener Länder angepasst werden können. Und der Einsatzbereich ist groß: Die App memodio beispielsweise unterstützt Menschen mit leichter Demenz und kann einem schweren Verlauf vorbeugen, während Likeminded für mehr mentale Gesundheit am Arbeitsplatz entwickelt wurde. Der dritte Bereich, der ebenfalls an Fahrt aufnimmt, ist die Telemedizin. Bislang ist es Ärzt*innen gesetzlich untersagt, im Home Office zu arbeiten. Eine telemedizinische Sprechstunde darf nur in der Praxis stattfinden. Das soll sich vor dem Hintergrund des zunehmenden Mangels an ambulant arbeitenden Ärzt*innen nun ändern.

Regiopole

Ob eine Stadt hierzulande von der Globalisierung profitiert, hängt stark von ihrer Größe ab, denn diese bestimmt ihre Sichtbarkeit im internationalen Vergleich. So wird aus einer kleineren Großstadt global betrachtet schnell ein Dorf. Das hat Auswirkungen auf die Attraktivität des Standorts für die Ansiedlung von Unternehmen, den Zuzug von Arbeitskräften oder die Förderung von Projekten durch Bund und Länder. Um dem entgegenzuwirken, vermarkten sich immer mehr Städte als eine „Regiopole“. Der Begriff wurde von Wissenschaftler*innen der Universität Kassel geprägt. Eine Regio­pole oder ein Oberzentrum definiert sich als „eine ­kleinere Großstadt außerhalb von Metropolregionen, die aufgrund ihrer Potenziale nicht nur ein regionales Versorgungszentrum, sondern einen besonderen Ort für die Bewältigung der Herausforderungen von Globalisierung und Wissens­gesellschaft darstellt“. Ziel des Regiopolkonzepts ist die Entwicklung einer Vernetzungsstrategie, um Potenziale für eine integrative, nachhaltige und erfolgreiche Regionalentwicklung zu erschließen. Vorreiter der Bewegung ist die Stadt Rostock, die seit 2006 im Zusammenschluss aus Stadt und Landkreis als Regiopol­region agiert und sich 2016 mit den Oberzentren Biele­feld, Erfurt, Paderborn, Siegen und Trier zum Deutschen RegioPole-Netzwerk zusammen­geschlossen hat.

Glokalisierung

Während Weltwirtschaft und Weltbevölkerung zusammenwachsen, zeigt sich beim Konsum ein gegenläufiger Trend – immer mehr Menschen kaufen Produkte aus regionaler Herstellung. Für transnational agierende Unternehmen ist das herausfordernd: Sie müssen sich hinsichtlich Beschaffung, Produktion und Absatz mit lokalen Besonderheiten auseinandersetzen und diese Anforderungen in ihre Abläufe integrieren. Das kann negative Auswirkungen auf die Wettbewerbs­fähigkeit haben. Andererseits liegt in der Glokalisierung eine große Chance: Indem Unternehmen lokale Strukturen – zum Beispiel innerhalb der Lieferketten – nutzen, stärken sie ihre eigene Resilienz im Falle globaler Störungen. Das Lokale ist also nicht Verlierer der Globalisierung, sondern nimmt an ­Bedeutung zu.

Space Age

Die neuen Helden der Raumfahrt heißen Alexander Gerst und Elon Musk. Astronaut und Geophysiker der eine, Unternehmer und Visionär der andere, bringen sie die Weltengemeinschaft zum Schwärmen: Der Traum von der Erkundung des Weltalls ist wieder da. Mehr als 50 Jahre nach der ersten Mondlandung scheint wieder alles möglich zu sein. Trendforscher*innen sehen diese Begeisterung in der Globalisierung begründet. Ihrer Überzeugung zufolge ist das Verlassen des Heimatplaneten die qualitative Weiterentwicklung eines Mega­trends: Die Eroberung ferner Welten wird zum neuen gemeinsamen Ziel von Individuen, die sich mit der Menschheit als Ganzes identifizieren. Zugleich ist das Abenteuer Weltraum auch ein Abenteuer sozialer Komplexität. Menschen sind in ihrem Wesen eine kooperative Spezies, die nach Herausforderungen sucht, um sich selbst zu beweisen. In Zeiten, in denen künstliche Intelligenz an Bedeutung gewinnt, ließe sich die These aufstellen, dass die Menschheit ganz einfach den Button „Neustart“ drücken möchte. Und das ist mehr als ­verständlich. 

 

Text: Anke Bracht
Grafik: © Mario Breda _ Shutterstock