UNTERNEHMERIN

Fit für die Zukunft

Innovation gilt als einer der Schlüssel für den Geschäftserfolg. Heute ist dieses Thema dringlicher denn je. Die zunehmende Wettbewerbsintensität und die raschen Änderungen von Kundenwünschen erhöhen den Handlungsdruck auf die Unternehmerinnen, immer effizienter zu innovieren.

Kaum ein Begriff wird derzeit so prominent verwendet wie „Innovation“. Als prägende Figur Visionär gilt Joseph A. Schumpeter. Der österreichische Nationalökonom definierte Innovation 1947 damit, „Neues zu tun oder etwas, das bereits getan wird, auf eine neue Weise zu tun“. Innovationen und „schöpferische Zerstörung“ waren für den Harvard-Professor die wichtigsten Triebfedern des Wirtschaftswachstums. Was Schumpeter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedoch nicht berücksichtigte, ist die entscheidende Rolle der Frauen im Innovationsprozess. Studien belegen, dass Unternehmen, die auf Diversität und damit auf Frauen in Unternehmen und Führungspositionen setzen, wirtschaftlich erfolgreicher sind. Einer Untersuchung der Beratungsfirma McKinsey zufolge gehen der europäischen Wirtschaft jährlich viele Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung verloren, weil der Frauenanteil in Technologiefirmen zu niedrig ist.

Eines der zentralen Ergebnisse: Würde der Anteil von Frauen in Techunternehmen bis zum Jahr 2027 auf 45 Prozent steigen, könnte Europas Bruttoinlandsprodukt um bis zu 600 Milliarden Euro zunehmen. Doch im vergangenen Jahr waren laut der Studie in diesem Bereich mit 22 Prozent nur halb so viele Arbeitsplätze in den EU-Mitgliedstaaten von Frauen besetzt. Schweden, Island und Norwegen, die Spitzenreiter bei der Frauenerwerbsquote, verzeichnen im internationalen Vergleich ein überdurchschnittliches Wachstum und besonders viele Innovationen.

Neue Ideen und innovative Ansätze

Eine Branche, die für ihren überdurchschnittlichen Anteil sowohl an hoch qualifizierten als auch an weiblichen Beschäftigten bekannt ist, ist die pharmazeutische Industrie. Laut dem Statistischen Bundesamt waren im vergangenen Jahr mehr als 41 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dem Sektor Frauen. „Damit verfügt die Pharmabranche über exzellente Voraussetzungen, um im Forschungs- und Patentbereich besondere Erfolge ihrer weiblichen Belegschaft zu erzielen“, schreiben die Autor*innen einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) mit dem Titel „Erfinderinnen in der pharmazeutischen Forschung“. Eine Auswertung der IWPatentdatenbank zeigt, wie sich die Beteiligung von Frauen an den Patentaktivitäten der pharmazeutischen Industrie über die vergangenen Dekaden hinweg entwickelt hat. Dabei wird deutlich, dass Frauen einen wachsenden Beitrag zur Innovationstätigkeit der Branche am Standort Deutschland leisten: Seit 1994 ist der Anteil der Patentanmeldungen, der auf Frauen entfällt, um 15,5 Prozentpunkte gestiegen, was mehr als einer Vervierfachung innerhalb des Analysezeitraums entspricht. Im Jahr 2020 ging im Durchschnitt jede fünfte Patentanmeldung auf Frauen zurück.

Auch abseits der Pharmaindustrie bringen Gründerinnen und Unternehmerinnen ihre eigene Perspektive ein – mit neuen Ideen und innovativen Herangehensweisen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und immer mehr Frauen gründen selbst ein Unternehmen. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums liegt ihr Anteil derzeit bei gut 42 Prozent. Jedes fünfte Start-up wurde im vergangenen Jahr von einer Frau gegründet, die Tendenz ist steigend. Dennoch bleiben Frauen klar unterrepräsentiert. Der Gendergap zeigt sich auch international: Im europäischen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld.

„Innovation ist eine verderbliche Pflanze“

Eine Unternehmerin, die seit Jahren erfolgreich ist, ist Nina Defounga, Geschäftsführerin von Tom Spike. Die 2013 gegründete Berliner Firma hat es sich zum Ziel gesetzt, Industrie- und Technologieunternehmen mittels Innovationen zu befähigen, eine Alleinstellung am Markt zu erzielen. „Innovation ist eine verderbliche Pflanze“, sagt Defounga. Das Konzept bedeutet für sie, ein Kundenproblem mit einer neuen Herangehensweise zu lösen und großen Nutzen zu stiften. „Das iPhone 2G war eine Innovation, weil es Tausende Funktionen in einem Gerät vereint. Das iPhone 12 ist keine Innovation mehr, sondern lediglich eine Optimierung“, unterscheidet die diplomierte Wirtschaftsingenieurin. Um zukunftsfähige Geschäftsmodelle erfolgreich umzusetzen, bedarf es ihrer Ansicht nach neben dem Willen zur Veränderung auch Risikobereitschaft – den Willen, ins kalte Wasser zu springen: „Dinge ausprobieren, überzeugen und den Kund*innen das schmackhaft machen, was auf sie zukommt – das sind die wichtigsten Faktoren.“ Ohne Neugier und Wissensdurst gäbe es keine Experimente, keine Innovationen und keinen Fortschritt. Für den Erfolg eines Innovationsprozesses ist für Defounga die Geschäftsführung entscheidend. Die Führungsebene müsse vorleben, dass Innovation wichtig sei, Ressourcen freigeben, Veränderungen ankündigen und durchziehen. „Mitarbeiter*innen haben Ängste, keine*r bewegt sich gern vom Status quo weg“, hat die Unternehmerin festgestellt.

„Die Unternehmensführung muss die Innovation wollen und Mitarbeiter*innen identifizieren, die diese Vision teilen. Das ist wichtig, da es Mitarbeiter*innen gibt, die nicht innovativ sein möchten – das muss von den Verantwortlichen für Innovation akzeptiert werden“, sagt Defounga. Daneben sei es förderlich, ein interdisziplinäres Team für Innovation zu etablieren, das unterschiedliche Perspektiven einnimmt, über Grenzen hinausdenkt und innerhalb des Unternehmens gut vernetzt ist. „Dieses Team schafft ein Erfolgsbeispiel“, unterstreicht sie.

Innovativer und diverser Maschinenbau

Ausgesprochen ambitioniert in Sachen Innovation ist auch Dina Reit, Geschäftsführerin des Maschinenbauers SK Laser, den sie in zweiter Generation führt. Das in Wiesbaden ansässige Unternehmen produziert Spezialmaschinen zur Oberflächenbearbeitung, die beispielsweise beim Entrosten, Entschichten, aber auch bei der Verzierung von Produkten mittels Gravur zum Einsatz kommen. Als Quereinsteigerin übernahm Reit 2019 das von ihrem Vater 2005 gegründete Unternehmen. Seither konnte die passionierte Skiläuferin bereits mehrere Innovationen wie etwa den digitalen Vertrieb und die Weiterentwicklung der Standardlaser umsetzen. Vor zwei Jahren hat sie ihren Vater, der weiterhin im Unternehmen wirkt, als Geschäftsführerin abgelöst.

Reit möchte innovativen und diversen Maschinenbau gestalten – was gerade in ihrer von Männern dominierten Branche ein ehrgeiziges Unterfangen ist. „Ich habe mir auf die Fahne geschrieben, das voranzutreiben. Das mache ich, indem ich als Frau in der Industrie nach vorn gehe und ein Vorbild bin für andere, die gerade erst anfangen“, so die Jungunternehmerin. Es scheint ihr zu gelingen: 2022 wurde die 31-Jährige als Familienunternehmerin des Jahres von „Startup Teens“ ausgezeichnet und vom Magazin „Focus“ zu einer der „100 Frauen des Jahres“ gewählt.

Messlatte für Innovationen höher legen

Im Bereich der mittelständischen Unternehmen führte Alexandra Knauer das jährliche Ranking der 100 innovativsten Mittelständler in Deutschland im vergangenen Jahr zum zweiten Mal an. Die Beratungsfirma Munich Strategy hatte dafür Dienstleistungen, Produkte und die Entwicklungskraft von rund 4000 deutschen Unternehmen unter die Lupe genommen. „Dies ist nicht nur eine Auszeichnung, sondern eine Anerkennung unserer harten Arbeit, unseres Innovationsgeistes und unseres unbändigen Engagements“, so Firmenchefin und -eigentümerin Knauer, die vor 29 Jahren in das Familienunternehmen eintrat. Sie sieht die Auszeichnung als Verpflichtung, auch weiterhin die Messlatte für Innovationen höher zu legen.

Die 1962 gegründete Firma, die mit Labormesstechnik begann, produziert heute mit 190 Mitarbeiter*innen Laborgeräte für die Bereiche Life Science, Pharma, Biotechnologie, Chemie, Umwelt und Lebensmittel. Die IJM-Skids (Impingement Jets Mixer) genannten Systeme etwa ermöglichen die Produktion von Lipid-Nanopartikeln im großen Maßstab und sind elementar für die Herstellung von mRNA-Impfstoffen. Im vergangenen Jahr stellten die Zehlendorfer mit einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro erneut eine Bestmarke auf.

Doch Knauer steht nicht nur in puncto Innovation an der Spitze. Laut ihrer alljährlichen Berechnung der geschlechterspezifischen Lohnlücke gab es in ihrem Unternehmen im vergangenen Jahr mit einem Einkommensunterschied von 0,3 Prozent praktisch keinen Gender-Pay-Gap. Zum Vergleich: Die aus Daten des Bundesamts für Statistik berechnete Lohnlücke belief sich 2023 für Deutschland auf 18 Prozent. Der „Equal Pay Day“ fiel bei Knauer damit schon auf den 2. Januar dieses Jahres.

Text: Christian Euler
© PeopleImages.com - Yuri A / Shutterstock; Tom Spike GmbH und SK Laser GmbH

Dieser Artikel wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN 01/24 veröffentlicht.