UNTERNEHMERIN

Die Chancen der Transformation nutzen

Die deutsche Automobilindustrie versteht die größte und damit herausforderndste Transformation ihrer Geschichte als Chance. Wir treiben den Wandel mit Rekordinvestitionen für Innovationen voran – allein rund 220 Milliarden Euro bis 2026. Für die Umsetzung der ambitionierten Ziele – das schnellstmögliche Realisieren einer klimaneutralen Mobilität – sind neben dem maximalen Einsatz der Unternehmen die politischen Rahmenbedingungen entscheidend.

Ein wettbewerbsfähiger Standort ist Grundlage für eine erfolgreiche Transformation, gerade für den Mittelstand. Ohne bezahlbare und verlässlich zur Verfügung stehende Energie, ohne Steuern und Abgaben, die international wettbewerbsfähig sind, ohne Planungs- und Genehmigungsverfahren, die Tempo erlauben, und ohne eine Digitalisierung, die die konkrete Umsetzung von Innovationen erlaubt, kann diese gewaltige Aufgabe nicht gemeistert werden. Es geht um die Zukunft unseres Industriestandorts. Eine Zukunft, die auch durch eine engagiertere Handels-, Rohstoff- und Energieaußenpolitik Deutschlands und Europas abgesichert werden muss.

Wir brauchen eine Klima- und Transformationspolitik, die gleichzeitig Wirtschafts-, Wohlstands- und Jobmotor ist und – das ist mir besonders wichtig – sozial ausgestaltet wird. Wir wollen nachhaltige individuelle Mobilität für jeden. Das bedeutet, dass wir die Lebensrealitäten aller berücksichtigen müssen, in Städten genauso wie in ländlichen Räumen. Wir brauchen differenzierte Lösungen, die wir gemeinschaftlich – im Dialog zwischen allen Beteiligten – erarbeiten. Das bedeutet auch, dass wir veraltete Diskussionsmuster hinter uns lassen müssen und die Debatte mit allen Beteiligten über die anstehenden Veränderungen führen. Die Transformation darf die Gesellschaft auf keinen Fall spalten und Konfliktlinien verstärken. Deswegen sind konstruktiver, offener Dialog und soziale Ausgestaltung entscheidend.

Eines dürfen wir zudem nicht vergessen: Klimaprobleme müssen global gelöst und Klimaschutz global gedacht werden. Wir dürfen keine Technologie ausschließen, die weltweit gebraucht wird, um die Klimaziele im Straßenverkehr zu erreichen. Es braucht mehr Dialog, mehr Innovation, weniger Festlegung und mehr Freiheit. Technologieoffenheit ist dabei die Chance, zu weltweiten Pionieren zu werden: Das Potenzial unserer Industrie hierfür ist gewaltig. Wir müssen alles dafür tun, damit es sich entfalten kann.

ZUR PERSON
HILDEGARD MÜLLER ist seit 2020 Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie. Sie absolvierte vor ihrem BWL-Studium an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eine Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Dresdner Bank, arbeitete dort zuletzt als Abteilungsdirektorin. 2002 bis 2008 war sie MdB, 2005 bis 2008 Staatsministerin bei Kanzlerin Merkel. Müller übernahm 2008 das Amt der Vorsitzenden der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin. Ab 2016 war sie Vorstand für Netz & Infrastruktur der innogy SE.

Foto: Dominik Butzmann

Diese Kolumne wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN (2022/1) veröffentlicht.