acatech und VdU-Landesverband Bayern-Nord in Kooperation
Ein spannender Abend erwartete die zahlreichen Teilnehmer, die der Einladung von acatech und des VdU-Landesverbandes Bayern-Nord gefolgt waren, darunter einige Vertreter aus Industrie und Wissenschaft. Den wissenschaftlichen Hintergrund brachte dem Publikum Prof. Andreas Mayr näher. Er ist Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Potenziale der KI in der Produktion
Egal ob Gesichtserkennung, autonomes Fahren oder Robotik: Die Methoden der KI eröffneten gänzlich neue Möglichkeiten bei der Entwicklung intelligenter Systeme, so Prof. Mayr in seinem Impuls. Der aktuelle KI-Hype basiere maßgeblich auf den sogenannten Maschinellen Lernverfahren (ML), bei denen vorwiegend mathematische, statistische Verfahren zum Einsatz kämen, die ungeachtet des menschlichen Vorbilds möglichst optimal handeln sollten. Mögliche Anwendungsfälle in der Produktion fänden sich zum Beispiel in der Instandhaltung, um den aktuellen Verschleißzustand einer Anlagenkomponente anhand von Vibrationen zu erkennen. Darauf basierend ließe sich sodann das weitere Fortschreiten des Verschleißes prognostizieren und ein optimaler Austauschzeitpunkt ermitteln. Im Qualitätsmanagement solle es zukünftig möglich sein, die Qualität eines Produkts allein auf Basis von Prozessdaten vorherzusagen, so der Experte. Vor allem im Bereich der Robotik verspräche ML großes Potenzial: Durch KI könnten Roboter einerseits Montagestrategien selbst erlernen und andererseits würden die Genauigkeiten der Objekt- und Postenerkennung erhöht. Schließlich fänden sich auch Anwendungsfälle in der übergeordneten Produktionsplanung und -steuerung: beispielsweise könne KI eingesetzt werden, um die Maschinenbelegung hinsichtlich aufkommender Lastspitzen zu optimieren.
KI in der Holz- und Sägeindustrie
Wo KI in der Schnittholzherstellung bei Einschnitt und Sortierung zu mehr Produktivität verhelfen kann zeigte VdU-Mitglied Saskia Stella Gleitsmann von den Holzwerken Gleitsmann auf. An diesem Abend hatte sie ihre kleine Tochter mitgebracht – mit 9 Wochen war sie die jüngste Teilnehmerin, und schon sehr aktiv dabei. Ihre Mutter zeigte zudem auf diese Weise, dass Muttersein und Unternehmerinnentum auch vereinbar sein können. Nicht zuletzt trug die Kleine zur Auflockerung des doch recht technischen Inhalts des Abends positiv bei.
Am Beispiel der Holzwerke Gleitsmann wurden Wünsche und Vorstellungen an den Einsatz einer KI in einem verarbeitenden Betrieb aufgezeigt. Ziel sei die Erhöhung der Ausbeute und Verringerung des Produktionsausfalls durch den Einsatz von KI, so Gleitsmann. Dies könne eine „Lernende Bandsäge“ mittels Durchleuchtung des Stammes leisten. Mit Hilfe von Röntgenstrahlen könne sie vorab Qualitätsmerkmale und wesentliche, einschnittsbestimmende Faktoren, wie zum Beispiel Stammform, Mantelfläche, Astigkeit, Fäule, Farbigkeit und fehlerhafte Stellen registrieren und darauf basierend Empfehlungen für optimale Einschnittstärken unter Überprüfung kundenspezifischer Anfragen geben.
Insbesondere die Vertreter der Industrie hörten bei folgendem Punkt aufmerksam zu: Wie sehen die Arbeitsplätze der Zukunft aus? Wie können kleine und mittelständische Unternehmen durch Künstliche Intelligenz (KI) profitieren? Was bedeutet das für die Produktivität?
Die Erwartungshaltung der Menschen gegenüber KI sei zu groß, erklärte Johannes Kröckel, Schaeffler Technologies AG & Co. KG. Es gebe gute und weniger günstige Ansatzpunkte in der Produktion mit KI ans Ziel zu kommen und es gelte die richtigen Fälle auszusuchen. Jedes Unternehmen müsse die individuellen Möglichkeiten für den Einsatz für KI ausloten, indem es kläre, welche Daten zur Verfügung stünden, wie sie genutzt werden könnten und welche Daten durch Kombination einen Mehrwert im Unternehmen etablieren könnten. Neue Anwendungsgebiete für KI sieht Johannes Kröckel in einer agilen Arbeitsweise und der Möglichkeit der engeren Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsbereiche.
Zu den Arbeitsplätzen der Zukunft erklärte Dr.-Ing. Hubert P. Büchs, Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der JOPP Group, dass die Ansprüche weiterwachsen würden, die Digitalisierung und Automatisierung noch weiter zunehmen und immer mehr Leistung gefordert werden würde. Er sehe jedoch keinen Sinn darin, Hightech zu kaufen, wenn klassische mechanische Maschinen aktuell noch schneller produzieren können. Kleinen Betrieben rate er dazu, stets den Markt im Auge zu behalten und von erschwinglichen Cloud- und Open-Source-Technologien zu profitieren.
Abschlussdiskussion
Die abschließende Frage von Moderatorin Ellen Bambach, VdU-Landesverbandsvorsitzende, ob produktionstechnisches Know-how über die einzelnen Prozesse zukünftig obsolet würde, beantwortete Andreas Mayr mit einem klaren „Nein“. Wenngleich sich die Berufsbilder änderten, würde Prozesswissen nach wie vor benötigt, um im Produktionsumfeld geeignete Use Cases zu identifizieren und Optimierungspotenziale abzuleiten. Nicht an jeder Anlage könne einfach ein Vibrationssensor angebracht werden. Zuletzt müsse das Verhalten mit dem bisherigen produktionstechnischen Know-how gespiegelt werden, um die Leistungsfähigkeit und Robustheit des KI-Systems zu beurteilen. So hat der Ingenieur auch in Zukunft eine wichtige Rolle – wenngleich sich diese ändern wird.
Diesem stetigen Wandel und den immer schneller werdenden Veränderungen müsse sich der Arbeitnehmer anpassen lernen, und dies sei nur mit Unterstützung der Unternehmen und einem „Mitnehmen des Mitarbeiters“ möglich.
Résumé des Abends
Mit dieser informativen Veranstaltung ist dem VdU-Landesverband Bayern-Nord zusammen mit acatech ein spannender Abend mit hochkarätigen Dozenten und Teilnehmern gelungen. Technisches Wissen der Zukunft wurde auf anschauliche Art und Weise vermittelt. Bei dem abschließenden kalten Buffet konnten die interessanten Gespräche fortgesetzt werden. Eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe ist geplant.